Auch Chinas Agrarböden stark vergiftet 60 Prozent des Grundwassers sind untrinkbar

Peking · Die Zahlen sind verheerend: In China sind rund 60 Prozent des Grundwassers zu verschmutzt zum Trinken. Und rund 20 Prozent der Agrarböden sind mit Schwermetallen verseucht.

Bei Messungen im vergangenen Jahr fiel die Wasserqualität in 203 Städten als "sehr schlecht" oder "ziemlich schlecht" durch, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am späten Dienstag berichtete. Der Anteil an Grundwasser, das nicht direkt getrunken werden kann, stieg der jährlichen Erhebung des Ministeriums für Land und Ressourcen zufolge gegenüber dem Jahr 2012 von 57,4 auf 60 Prozent.

Für Empörung sorgte Anfang April ein Skandal in der westlichen Stadt Lanzhou. Dort wurde nach Berichten von Staatsmedien im Trinkwasser ein extrem hoher Benzolanteil festgestellt. Schuld soll eine Tochterfirma der staatlichen China National Petroleum Company gewesen sein. Aus einer ihrer Pipelines soll Öl ins Trinkwasser gelangt sein. Die Stadtverwaltung soll die Bevölkerung zudem bewusst tagelang nicht über die Trinkwasserverseuchung informiert haben.

Auch die Böden sind vergiftet

In Chinas Böden lauert eine Gefahr, die den giftigen Smog in den Metropolen noch übertreffen könnte. Chinas Umweltschutzbehörde ließ für eine riesige Erhebung von 2005 an neun Jahre lang die Qualität der Erde im ganzen Land untersuchen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse aber wurde im vergangenen Jahr kurzfristig abgesagt - und der Bericht zum Staatsgeheimnis erklärt. Nun wurde der Druck der Bevölkerung zu groß: Die Behörde legte auf fünf Seiten eine alarmierende Zusammenfassung der Daten vor.

Die Zahlen sind dramatisch: Rund ein Fünftel von Chinas Agrarland ist verseucht. Zu dem Giftcocktail gehören Kadmium, Nickel und Arsen. Verseuchtes Essen könne im ganzen Land im Umlauf sein, befürchtet die Giftexpertin von Greenpeace in China, Wu Yixiu. "Das ist sehr alarmierend, was die Lebensmittelsicherheit angeht", sagt Wu der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Vermutlich lebten und arbeiteten Millionen Menschen auf hochgiftigem Boden, ohne es zu wissen.

Bislang lässt die Behörde die Bevölkerung im Dunklen darüber, in welchen Regionen die Böden hochbelastet sind. "Die Orte müssen der Bevölkerung umgehend mitgeteilt werden", fordert Expertin Wu. Sonst könnten sich die Menschen nicht schützen. "Gift im Boden ist unsichtbar."

Die Böden könnten zudem weit mehr Gift enthalten als nun bekanntgeworden, befürchtet Wu. "Die Mitteilung ist sehr kurz und vage", sagt sie. Die Werte lägen weit höher als die in bisherigen Veröffentlichungen von Regierungsstellen. Trotzdem seien sie sehr ungenau, weil die Ermittler nur je eine Probe pro 54 Quadratkilometer Land genommen hätten.

Verschmutze Erde ist für Chen Tongbin von der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften eine besondere Gefahr. "Im Vergleich zu Luft und Wasser lässt sich verschmutze Erde schlechter kontrollieren", zitiert ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Menschen in verseuchten Gebieten seien sehr gefährdet. Das Gift im Boden werde nicht nur von Pflanzen aufgenommen, es verseuche auch das Grundwasser, warnt Forscher Chen.

Die immense Umweltverschmutzung ist vielfach der Preis für Chinas gewaltiges Wirtschaftswachstum. "Die Hauptquellen der Verschmutzung sind Industrie und Landwirtschaft", heißt es in der Zusammenfassung der Behörde. Industrieabfälle und Minen seien für einen großen Teil der vergifteten Böden verantwortlich.

Sollten die hochbelasteten Gebiete doch noch bekanntwerden, wird es neue drängende Fragen geben: Was bedeuten die Daten für die Bewohner? Wird es Umsiedelungen geben? Und: Werden die verantwortlichen Firmen zur Rechenschaft gezogen? Experten sind skeptisch. China hat zwar strenge Umweltvorschriften. Viele Unternehmen hielten sich aber nicht daran, da die Strafen zu gering seien, klagt Umweltschutz-Professor Zhang Shiqiu von der Universität Peking. "Illegale Verschmutzung ist viel billiger, als sich an alle Gesetze zu halten."

(AFP/dpa)
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