Furcht vor neuer Gewalt Polizistenmörder in Dallas schoss allein

Dallas · Die Polizei erforscht mit Hochdruck das Motiv des Polizistenmörders von Dallas. Derweil marschieren in zahlreichen US-Städten wieder Tausende gegen Polizeigewalt. Die Sorge, dass es zu neuer Gewalt kommt, wächst - trotz zahlreicher Aufrufe zur Mäßigung.

 Ermittlerinnen des FBI nehmen den Tatort in Dallas am Morgen nach der Tat unter die Lupe.

Ermittlerinnen des FBI nehmen den Tatort in Dallas am Morgen nach der Tat unter die Lupe.

Foto: afp, sp

Nach den Todesschüssen auf fünf Polizisten in Dallas wächst in den USA die Sorge, dass es zu einer weiteren Eskalation der Gewalt kommt. In vielen US-Städten waren auch am Wochenende neue Protestaktionen gegen Polizeigewalt geplant. Bei einer Demonstration in New York in der Nacht zum Samstag gab es Dutzende Festnahmen. In Dallas konzentrierten sich die Ermittlungen auf die Motive des Polizistenmörders. Zugleich entbrannte eine Diskussion über den Einsatz eines Roboters zur Tötung des Schützen.

US-Präsident Barack Obama wird Anfang der Woche in Dallas erwartet. Er verkürzte wegen des geplanten Besuches eine Visite in Spanien im Anschluss an den Nato-Gipfel in Polen.

Der 25-jährige Micah Johnson hatte in der texanischen Stadt in der Nacht zum Freitag während einer Demonstration gegen Polizeigewalt fünf Polizisten erschossen und fünf weitere sowie zwei Zivilisten verletzt. Nach Erkenntnissen der Polizei war er wohl der alleinige Schütze, es könne aber Komplizen oder Mitwisser geben, wie der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, sagte. "Wenn es sie gibt, werden wir sie finden, und sie werden zur Rechenschaft gezogen."

Als wahrscheinliches Tatmotiv gilt Hass auf Weiße. Darauf deuten Äußerungen des Mannes bei Verhandlungen mit Polizisten vor seinem Tod und Facebook-Eintragungen hin, in denen Johnson Sympathien für schwarzen Extremistengruppen bekundete.

Die Polizei fand nach eigenen Angaben zudem in seiner Wohnung jede Menge Waffen und paramilitärisches Material - auch zum Bombenbau - sowie Schutzwesten, Munition und ein Handbuch für den bewaffneten Kampf.

Außerdem seien afro-nationalistische Schriften aufgetaucht. Auch das könnte auf ein Motiv hindeuten. Johnson ist Afroamerikaner.

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Foto: ap, SAW

Wie weiter bekannt wurde, war der 25-Jährige ein Heeresveteran und Ende 2013 in Afghanistan eingesetzt, allerdings als Tischler. Es deute nichts darauf hin, dass er an Kämpfen beteiligt oder verletzt worden wäre, schrieb unter anderem die "New York Times".

Nach mehreren weiteren Berichten musste Johnson den Afghanistan-Einsatz nach Vorwürfen sexueller Belästigung einer Soldatin vorzeitig beenden. Dies sei ein ungewöhnlich scharfes Vorgehen in dem Fall, zitierte die "Dallas Morning News" einen Militärjuristen.

Anlass für die Demonstration am Donnerstagabend (Ortszeit) war der Tod von zwei Afroamerikanern, die in den US-Staaten Minnesota und Louisiana binnen 48 Stunden durch Polizeischüsse ums Leben gekommen waren. Auch am Freitagabend (Ortszeit) marschierten wieder Tausende gegen Polizeigewalt, so in New York, Phoenix und San Francisco. In mehreren Städten, so New York, wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.

US-Vizepräsident Joe Biden, der anstelle des abwesenden Obama am Samstag die wöchentliche Rundfunkansprache hielt, rief dazu auf, Konflikte und Spaltungen friedlich zu überwinden. Alle Amerikaner seien durch "all diese Todesfälle" verwundet, sagte Biden. Auch schwarze Bürgerrechtler erneuerten ihre Aufrufe zur Mäßigung: Die Gewalt gegen Schwarze müsse beendet werden, aber die Lösung könne keinesfalls schwarze Gewalt gegen Polizisten sein.

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Unterdessen entbrannte über die USA hinaus eine Diskussion darüber, dass die Polizei Johnson gezielt aus der Ferne in einer Parkgarage durch Sprengstoff getötet hat. Die Bombe wurde nach einem stundenlangen Feuergefecht und erfolglosen Verhandlungen von einem Roboter deponiert.

Ein solcher Einsatz wie in Dallas ist in Deutschland laut Polizeigewerkschaftern derzeit undenkbar. Die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft meinen zudem, dass die Polizei keine ferngesteuerten Bomben oder Waffen zum Einsatz gegen Menschen in Deutschland brauche, wie ihre Vorsitzenden Oliver Malchow und Rainer Wendt am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagten.

Zur Waffe zu greifen, sei überhaupt nur "das letzte Mittel" für einen Polizisten, erklärte Malchow. Nach Angaben des Polizeiwissenschaftlers Clemens Lorei wurden 2015 acht Menschen in Deutschland von der Polizei getötet.

Der Politikwissenschaftler Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies wies im Deutschlandradio Kultur darauf hin, dass die Anzahl von Übergriffen weißer Polizisten auf schwarze Bürger - insgesamt gesehen - eigentlich rückläufig sei. Im Gegensatz zu den 1990er Jahren seien aber heute immer mehr Bilder solcher Ereignisse im Umlauf: "Und diese Bilder (...) gießen natürlich auch Öl ins Feuer und motivieren eben Leute wie den Täter von gestern Nacht, der dann durch solche Bilder in seinem Hass auf weiße Polzisten oder auf Polizisten insgesamt bestätigt wurde."

(dafi/dpa)
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