Atomkatastrophe von Japan Das Meer und die radioaktive Strahlung

Tokio (RPO). Gemüse, Trinkwasser, Milch - die radioaktive Belastung von Lebensmitteln rund um das AKW Fukushima bereitet den Japanern zunehmend Sorgen. Inwieweit Fische und Meeresfrüchte von der Strahlung betroffen sind, ist noch nicht klar. Experten allerdings äußern im Gespräch mit unserer Redaktion Hoffnung.

Hier kämpfen die Männer im Kontrollraum
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Mit Meerwasser haben die Arbeiter am AKW Fukushima versucht, die Reaktoren und Brennstäbe zu kühlen. Strom allerdings gab es zunächst nicht, sodass die Wasserpumpen auch nicht funktionierten. Das Problem: Das ganze Wasser floss wieder zurück ins Meer. Ein Kreislauf, der dem Ökosystem alles andere als zuträglich ist.

Tatsächlich haben die Behörden im Meer bereits erhöhte radioaktive Werte feststellen können. In etwa 100 Metern Entfernung zur Unglücksstelle sei eine knapp 127-fach erhöhte Belastung mit Jod 131 gemessen worden, sagte ein Vertreter des AKW-Betreibers Tepco Anfang der Woche. Die Konzentration von Cäsium 134 war demnach fast 25-mal höher als der gesetzliche Grenzwert, diejenige von Cäsium 137 um den Faktor 16,5 erhöht. Daher ordnete das Gesundheitsministerium auch Messungen für Fisch und Meerwasser an, die Ergebnisse aber lassen noch auf sich warten.

Von Strömungen umgewälzt

Doch Michael Welling, Sprecher des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, gibt sich optimistisch. "Der Pazifik ist riesengroß und wird durch die verschiedenen Strömungen umgewälzt. Wir gehen daher davon aus, dass die Elemente sehr schnell verdünnt werden", so Welling gegenüber unserer Redaktion.

Ohnehin spielt hierbei das radioaktive Cäsium mit seiner 30-jährigen Halbwertzeit eine viel größere Rolle als das radioaktive Jod, das viel schneller abgebaut wird, wie Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace, gegenüber unserer Redaktion sagt. Inwieweit die radioaktive Belastung des Meeres aber Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte, das lasse sich definitiv noch nicht sagen, weil keine Werte vorlägen.

Welling zufolge haben das etwa die Erfahrungen nach dem Unglück von Tschernobyl gezeigt, wobei radioaktive Partikel auch in die Nord- und in die Ostsee gelangten. Während in der fast vollständig umschlossenen Ostsee etwa noch heute Spuren von Cäsium - wenn auch in Mengen deutlich unter dem Grenzwert - nachgewiesen werden können, verhält sich das in der Nordsee ganz anders. "Die Nordsee wird durch die verschiedenen Strömungen gut durchgespült. Daher sind die Werte radioaktiver Belastung mit Cäsium schnell zurückgegangen", so der Sprecher des Instituts.

Santen erklärt zudem, dass die radioaktive Belastung mit Cäsium in der Nordsee nach Tschernobyl etwa um das Fünffache angestiegen seien, allerdings habe das noch immer unter einem gesundheitsschädigenden Level gelegen.

Auswirkungen noch nicht abzuschätzen

Laut Santen könnten die radioaktiven Elemente über die Nahrungskette in die Fische gelangen können. Doch auch hier lasse sich noch nicht abschätzen, ob das Auswirkungen haben wird und wie hoch die Belastung sein könnte. "Für die Japaner aber ist das katastrophal, denn sie bedienen sich ja an den Muscheln und Krabben und verzehren sie selbst. Das sollten sie jetzt meiden."

Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts schätzen, dass es in dem Weltmeer nicht zu gravierenden Kontaminierungen von Fischen kommen wird. Außerdem, so betont Sprecher Welling, gebe es ja rund um Fukushima eine Sperrzone. Und riesige Fischschwärme seien in den Randgebieten ohnehin nicht zu finden.

Den Japanern bleibt also zunächst nichts anderes als abzuwarten, bis die ersten Messungen vorliegen. Doch die Kontaminierung könnte nicht das einzige Problem sein. Denn die Umweltschäden durch Erdbeben und Tsunami sind ebenfalls noch nicht abschätzbar. Schließlich brannten Erdölraffinerien, deren Löschwasser sicher auch in das Meer gelangt sei, wie Greenpeace-Experte Santen vermutet. Und auch einige Chemiefabriken hätten in dem Tsunami-Gebiet gelegen und seien überschwommen worden.

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