Anklage wegen Völkermord, Kriegsverbrechen UN-Tribunal fällt am Mittwoch Urteil gegen Ratko Mladic

Den Haag · Seit sechs Jahren muss sich der ehemalige bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten. Die Anklage fordert lebenslange Haft, die Verteidigung Freispruch. Am Mittwoch fällt das Urteil.

Urteil gegen Ratko Mladic
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Mehr als sechs Jahre nach der Festnahme von Ratko Mladic verkündet der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) am Mittwoch das Urteil gegen den ehemaligen bosnisch-serbischen Armeechef.

Der 74-jährige Mladic ist vor dem Gericht unter anderem wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs zwischen 1992 und 1995 angeklagt. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft, die Verteidigung Freispruch.

Mladic wird insbesondere eine Verantwortung für das Massaker im ostbosnischen Srebrenica zur Last gelegt. Bosnisch-serbische Einheiten hatten im Juli 1995 die UN-Schutzzone in Srebrenica angegriffen und Schätzungen zufolge 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet.

Verantworten muss er sich auch für die 44-monatige Belagerung von Sarajevo ab Mai 1992, bei der nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen etwa 10.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet wurden.

Angeklagt ist Mladic außerdem wegen der Belagerung weiterer Orte in Bosnien-Herzegowina sowie wegen der Geiselnahme von UN-Soldaten. Der Anklage zufolge spielte er zusammen mit dem ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic eine Schlüsselrolle bei der Vertreibung von Kroaten, Muslimen und anderen Nicht-Serben. Bei dieser "ethnischen Säuberung" sollte demnach ein "Großserbien" geschaffen werden.

Karadzic wurde vom Strafgerichtshof im März 2016 zu 40 Jahren Haft verurteilt. Er legte Berufung gegen das Urteil ein. Sowohl das ICTY mit Sitz in Den Haag als auch der Internationale Gerichtshof der UNO stufen das Geschehen unter Beteiligung Karadzics, Mladics und des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic als Völkermord ein. Milosevic starb vor der Verkündung des Urteils gegen ihn 2006 im Gefängnis des Tribunals in Scheveningen.

Mladic war im Mai 2011 nach 16 Jahren auf der Flucht in Serbien festgenommen und an den Haager Strafgerichtshof überstellt worden. Der 1943 in einem ostbosnischen Dorf bei Kalinovik geborene Mladic stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Er arbeitete sich vom Rekruten in der jugoslawischen Armee zum Oberbefehlshaber der serbischen Truppen in der serbisch-bosnischen Republik hoch.

Als 1991 der Krieg zwischen Serbien und Kroatien begann, wurde der damalige serbische Oberst in die Serbenhochburg Knin versetzt, um die örtlichen Milizen zu einer schlagkräftigen Truppe auszubilden. Damals ließ er zahlreiche Dörfer in der Krajina zerstören und galt bei den Kroaten schnell als Kriegsverbrecher. Später wurde Mladic zum General befördert.

In der Verhandlung gegen ihn nannte Mladic die Anklagepunkte "widerwärtig" und das Haager Gericht "satanisch". Der Prozess mit fast 600 Zeugen dauerte 523 Tage. Der einst bullig wirkende Mladic erlitt in der Zeit drei Schlaganfälle und verfiel zusehends. Einen Antrag der Verteidigung, die Urteilsverkündung aus gesundheitlichen Gründen zu verschieben, lehnte das Gericht ab.

Mladic sagte während der Verhandlung, er bedaure jedes unschuldige Opfer aller Volksgruppen im Bosnienkrieg. Bis zum Schluss plädierte er auf unschuldig. Seine Verteidiger sagten, ihr Mandant sei "kein Monster" und dürfe nicht verurteilt werden.

Nach Ansicht des Chefanklägers Serge Brammertz gehören die Urteile gegen Mladic und Karadzic zu den wichtigsten in der Geschichte des Gerichts, das 1993 per Resolution des UN-Sicherheitsrats eingerichtet worden war.

Opferverbände forderten die Höchststrafe für Mladic. Der Präsident des Verbands der Eltern der bei der Belagerung von Sarajevo getöteten Kinder, Fikret Grabovica, äußerte im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP die Erwartung, dass Mladic in allen elf Anklagepunkten für schuldig befunden und eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten werde.

(heif)
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