Vatileaks-Prozess geht in die zweite Runde Der Verräter und sein Helfer

Vatikanstadt · Am Montag beginnt im Vatikan der zweite Prozess in der "Vatileaks"-Affäre: Angeklagt ist Claudio Sciarpelletti, ein Computertechniker im vatikanischen Staatssekretariat. Er soll dem bereits verurteilten Kammerdiener Gabriele beim Stehlen von Dokumenten geholfen haben.

Die wichtigsten Figuren im Vatileaks-Skandal
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Claudio Sciarpelletti wird beschuldigt, dem päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele geholfen zu haben, vertrauliche Dokumente des Papstes zu entwenden. Gabriele war nach einem einwöchigen Prozess Anfang Oktober zu 18 Monaten Haft verurteilt worden.

Im Fall Sciarpelletti geht es juristisch gesehen um Beihilfe zum Diebstahl, mithin um bis zu ein Jahr Gefängnis. Die eigentliche Frage lautet jedoch: War Gabriele tatsächlich jener verquere Einzeltäter, als der er sich präsentiert? Der Unterlagen vom Schreibtisch des Papstes klaute, weil er die Kirche habe retten wollen?

Oder steckt hinter der "Vatileaks"-Affäre schließlich doch noch ein handfestes Komplott? Im Raum steht weiterhin Gabrieles frühere Aussage in einem anonym geführten TV-Interview, er habe rund 20 Gesinnungsgenossen.

Umschlag wird zum Verhängnis

Zum Verhängnis wurde Sciarpelletti ein Briefumschlag, den die vatikanische Gendarmerie am 25. Mai in seinem Schreibtisch im Staatssekretariat sicherstellte. Er wurde festgenommen und verbrachte eine Nacht in der Arrestzelle. Der Umschlag trug die Aufschrift "P. Gabriele persönlich" und enthielt eine Schmähschrift gegen den Kommandanten der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Giani.

Zudem befanden sich darin Unterlagen nicht vertraulicher Natur. Auf welche Weise das Couvert in den Schreibtisch gelangte, blieb unklar: Zunächst gab Sciarpelletti an, Gabriele habe es ihm gegeben; später behauptete er, es von einer anderen Person erhalten zu haben.

Auch die Beziehung zwischen Sciarpelletti und Gabriele bleibt nebulös: Der Computertechniker sprach erst von einem "guten Arbeitsverhältnis", dann auch von Kontakten außerhalb der Arbeitszeit, die auch die Familien eingeschlossen hätten. Gabriele selbst lieferte ebenfalls unterschiedliche Versionen. Aufhorchen ließ eine Bemerkung des Vorsitzenden Richters im Prozess gegen Gabriele. Er teilte mit, dass die in dessen Wohnung sichergestellten Computer, USB-Sticks und sonstige Dateien Gegenstand des Prozesses gegen Sciarpelletti seien.

Wichtige Fragen bleiben offen

Allen Unklarheiten und Ungereimtheiten zum Trotz: Eine Vorentscheidung scheint schon gefallen zu sein. Die vatikanischen Richter schlossen im Prozess gegen Gabriele eine Verschwörung ausdrücklich aus. Es waren dieselben Richter, die auch über Sciarpelletti urteilen. Die etwaige Schuld des Computerexperten sah das Gericht im Prozess gegen Gabriele bereits als so geringfügig an, dass es dem Antrag der Verteidigung stattgab, die Verfahren zu trennen.

Auch der Untersuchungsrichter kam zu dem Ergebnis, es gebe keine "hinreichenden Beweise" für eine Mittäterschaft Sciarpellettis. Ursprünglich war gegen den Italiener auch wegen Falschaussage und Verletzung des Dienstgeheimnisses ermittelt worden.

Der Prozess gegen Gabriele hat wichtige Fragen offengelassen. Die Einschätzung des vatikanischen Staatssekretariates, das Verfahren sei transparent geführt worden, fand kaum Anhänger. Unter den Journalisten, die den Prozess beobachteten, herrschte vielmehr der Eindruck vor, dass sich das Vatikan-Gericht nicht mit letzter Konsequenz um eine Aufklärung bemüht habe. Und: Der Vorsitzende Richter, Giuseppe Dalla Torre, kündigte schon vor Tagen an, dass auch der Prozess gegen Sciarpelletti nur kurz sein werde.

Fall "Vigano" war der Auslöser

Außer Gabriele selbst sind als Zeugen unter anderen der Kommandant der vatikanischen Gendarmerie Giani sowie der Major der Schweizergarde William Kloter geladen. Auch ein Priester aus dem Staatssekretariat soll befragt werden: ein Neffe von Erzbischof Carlo Maria Vigano. Der wiederum ist in der "Vatileaks"-Affäre kein Unbekannter.

Mit der Veröffentlichung von Beschwerdebriefen Viganos an den Papst und an Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in italienischen Medien nahm die Affäre zu Jahresbeginn ihren Anfang. Nach Gabrieles Aussage war der Fall "Vigano" unmittelbarer Auslöser für seinen Diebstahl.

(KNA)
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