Bogotá Die Drogenmafia regiert Mexiko

Bogotá · Der Mord an 43 Studenten stürzt Mexiko in eine tiefe Krise. Die Angehörigen zweifeln an den Ermittlungen. Die lokale Polizei soll in den Skandal verstrickt sein. Eine schwere Bewährungsprobe für Präsident Enrique Pena Nieto.

Studenten besetzen Flughafen von Acapulco
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Was geschah mit den 43 vermissten Studenten? Nun soll eine Wahrheitskommission die Hintergründe ans Licht bringen. Der Vorschlag der mexikanischen Senatorin Monica Arriola Gordillo in der Tageszeitung "El Universal" könnte in der Tat einen Ausweg aus der schweren Krise sein, in der sich das Land nach den Enthüllungen rund um die mutmaßliche Ermordung der 43 verschwundenen Studenten von Iguala befindet. Die Kommission besteht aus unabhängigen Persönlichkeiten, die unverdächtig sind, auf der Gehaltsliste der Drogenkartelle zu stehen.

Mexikos Staatsanwaltschaft hatte die Öffentlichkeit über den Stand der Untersuchungen informiert. Was Chef-Ermittler Jesús Murillo Karam zu sagen hatte, ließ seinen Landsleuten den Schrecken in die Glieder fahren. Es ist nicht nur die Schilderung der Grausamkeit, vielmehr das Ausmaß, in dem die Drogenmafia die Gewalten des mexikanischen Staates beherrscht.

Die seit dem 26. September verschwundenen Studenten wurden offenbar in einer Gemeinschaftsaktion von lokaler Polizei und dem Drogenkartell "Guerreros Unidos" auf Weisung des Bürgermeisters von Iguala, José Luis Abarca, und seiner Frau María de los Ángeles Pineda auf bestialische Weise aus dem Weg geräumt. Die Lehramtsstudenten einer linksgerichteten Schule sollten offenbar gehindert werden, eine Rede der Bürgermeistergattin während eines Wohltätigkeitsfestes zu stören. María de los Ángeles Pineda gilt als ein wichtiges Führungsmitglied der lokalen Mafia.

Die festgenommenen Studenten wurden von der Polizei in Viehtransporter gepfercht und an die Auftragsmörder der "Guerreros Unidos" übergeben. Auf einer Müllhalde wurden die Studenten, die den Todestransport überlebten und nicht erstickten, zu Boden geworfen und erschossen. Den Leichenstapel übergossen die Mörder mit Benzin und zündeten ihn an. Was übrig blieb, stopften die Täter in Plastiktüten und warfen sie in den Fluss. Zu Asche verbrannte Knochen und Zähne sollen von Experten der Rechtsmedizin in Innsbruck untersucht werden, um anhand der DNA-Spuren die Identität der Opfer zu klären. Ob das gelingen wird, weiß auch Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam nicht, denn unklar sei, ob die gefundene Asche ausreicht, um genug DNA-Spuren zu isolieren. Ihre Erkenntnisse stützt die Staatsanwaltschaft vor allem auf Aussagen verhafteter Verdächtiger.

Die Angehörigen haben Zweifel an den Ermittlungsergebnissen. Weil die lokale Polizei tief in den Skandal verwickelt ist, weigern sich viele Familien, den Worten der Staatsanwaltschaft Glauben zu schenken. Zu tief ist das Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen. Murillo Karam, der sich mit den Familien traf, verspricht: "Solange nicht der letzte Körper identifiziert ist, gelten die jungen Männer als vermisst, die Suche geht weiter."

Unterdessen machten Studenten der betroffenen Lehramtsschule im Bundesstaat Guerrero ihrem Ärger auf gewalttätige Weise Luft. Sie steckten das Regierungsgebäude der Provinz in der Hauptstadt Chilpancingo in Brand. Auch aus anderen Landesteilen, unter anderem der Hauptstadt Mexiko-Stadt, wurden Ausschreitungen, aber auch friedliche Solidaritätsmärsche gemeldet. Koordiniert sind die Aktionen bislang nicht, es gibt keine politische Kraft, die die Wut und die Fassungslosigkeit über den mutmaßlichen Mord kanalisiert und in Forderungen umsetzt. In nahezu allen Zeitungen und TV-Sendern beherrscht der Fall Iguala die Berichterstattung, selbst bei Spielen der mexikanischen Fußball-Liga sind Solidaritätsbotschaften zu lesen.

Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto steht vor der schwersten Bewährungsprobe seiner Amtszeit. Zwar gelangen dem Staatsoberhaupt respektable Fahndungserfolge gegen führende Drogenkartellbosse. Auch in der aktuellen Krise scheint Pena Nieto mit der Verhaftung von mehr als 70 Verdächtigen auf dem richtigen Weg. Doch die Forderungen nach tiefgreifenden Reformen in der von Korruptionsgeldern durchtränkten Polizei und Justiz werden lauter. Der Fall der "Los 43", wie in Mexiko die Studenten-Gruppe gerufen wird, mag vor der Aufklärung stehen. Die politischen Konsequenzen sind dagegen nicht abzusehen.

(RP)
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