"Boring 2012" in London Die langweiligste Konferenz des Jahres

London · Die Vorträge heißen "Wie ich meinen Toast mag" oder "Die besten Dinge, die ich nicht gekauft habe": In London hat die "Boring 2012" stattgefunden, die langweiligste Konferenz des Jahres. Unser öder Bericht:

 "Wie ich meinen Toast mag": Ed Ross bei einem wirklich langweiligen Vortrag.

"Wie ich meinen Toast mag": Ed Ross bei einem wirklich langweiligen Vortrag.

Foto: Makartsev

Dies ist ein langweiliger Text. Bitte reiben Sie beim Weiterlesen ihre Augen oder wippen Sie mit dem Fuß. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie pro Absatz einmal gähnen würden. Denn dann würden Sie sich perfekt in die Haut von 500 Männern und Frauen versetzen, die an einem sonnigen Sonntagmorgen in einer ungeheizten Boxhalle auf Plastikstühlen Platz nehmen, um sich sechs Stunden lang auf alles Banale im Leben zu konzentrieren. Dies ist ein Bericht über die Konferenz "Boring 2012", die in London für Furore gesorgt hat.

 Ödes Essen: Als Pausenhäppchen gab es Gurkenstückchen. Ungewürzt.

Ödes Essen: Als Pausenhäppchen gab es Gurkenstückchen. Ungewürzt.

Foto: Makartsev

Unser Leben ist überlastet mit Reizen. Zerstreuung ist allgegenwärtig. Wir spielen in den TV-Werbepausen auf dem Computer, hören MP3 im Bus und beantworten im Wartezimmer Emails, statt sich den Gedanken hinzugeben. Ein Glück, dass es Menschen wie Ed Ross gibt, die die Kunst der Entschleunigung beherrschen. Ed steht auf der Bühne der York Hall und hält einen Vortrag mit dem Titel "Wie ich meinen Toast mag". Nach einem Exkurs in die Frühstücksrituale seiner Kindheit kommt der Brite zur Sache: "Ihr müsst den Toast auf Stufe vier bräunen und zur Vermeidung der Kondensatbildung auf der Unterseite der Brotscheiben sie zu einem 'Zelt' aufstellen". Das Publikum im Saal klatscht begeistert Beifall.

 Der Chef-Langweiler: James Ward, Organisator der Londoner Konferenz "Boring 2012".

Der Chef-Langweiler: James Ward, Organisator der Londoner Konferenz "Boring 2012".

Foto: Makartsev

Zuvor hat uns Leila Johnston über die schönsten IBM-Kassengeräte informiert. "Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich das seltene IBM Epos 300 sah. Das war mein Moby Dick", sagte stolz die junge Frau. Und wir applaudierten höflich. Mein Nachbar spielte mit seinem Reißverschluss…doch ich schweife ab.

Nach Ed berichtet Patrick Fletcher über katzenundurchlässige Briefschlitze in den Haustüren mit begleitender Analyse eines Postaufkommens in einem typischen Haushalt. Seine Statistik: Täglich im Schnitt 2,9 Briefe und Wurfsendungen von je 3,08 Gramm, davon 4,45 Prozent Pizza-Werbung. Faszinierend.

James Ward hat uns zusammengeführt. Der 31-Jährige leitet einen Internet-Diskussionsclub über Büroklammern, die James über alles liebt. Die Idee des Langeweile-Treffens wurde 2010 geboren, als die populäre Konferenz "Interesting" ausfiel. "Wie wäre es mit einer 'Boring Conference'?" scherzte Ward auf Twitter - und bekam Dutzende Anfragen.

Daraufhin versammelten sich in London 200 Fans des Alltäglichen, um nach Zahlung von 15 Pfund bei einem siebenstündigen Vortragsmarathon gemeinsam gegen die Schläfrigkeit anzukämpfen. Im Jahr darauf waren es schon 400 Zuhörer. Wards jüngstes Treffen war binnen Tagen restlos ausverkauft.

"Es wird zunehmend bizarr", gesteht James, "sich in großen Hallen über kleine Dinge zu unterhalten". Woher kommt dieses Interesse? Seine Konferenz sei eben "very british", erklärt der Organisator. "Außerdem zeigen wir, dass die trivialen Sachen spannend sein können, wenn man ihnen genug Aufmerksamkeit schenkt". Es gibt auch andere Erklärungen. "Es ist menschlich, gemeinsam über Nichtigkeiten zu meditieren", sagt Gallit Ferguson, die im Vorjahr über die Probleme der Falafel-Suche in einem 'umorganisierten Laden' gesprochen hat.

James hält selbst einen Vortrag. Es geht unter anderem um die "besten Dinge, die ich nicht gekauft habe". Dazu präsentiert der Brite Fotos von aufgesammelten fremden Quittungen aus seinem Supermarkt. Elise erfreut uns mit einem erfundenen Zahlenspiel, bei dem die Nummern der U-Bahn-Waggons addiert werden. Roo zeigt die besten Fotos per Selbstauslöser aus geschlossenen Kühlschränken. Zwischendurch gibt es als Stärkung Gurkenscheiben.

Bevor ich gehe, versuche ich einen Weltrekord zu brechen. Das Bürohstuhldrehen ist die inoffizielle Sportart der britischen "Boring"-Bewegung. Es reicht nicht bis zum Spitzenergebnis (15,75), doch ich schaffe 14,75 Rotationen und bekomme eine Spielzeugmedaille überreicht.

Vielleicht werden auch wir in Deutschland bald unser Glück bei den "Swivelympics" versuchen können. Denn James Ward spielt mit dem Gedanken, seine Massenfeier der Langeweile nach Deutschland zu bringen.

(rm)
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