Atomeinsatz in Fukushima Die letzten 50

Düsseldorf (RPO). Tag und Nacht arbeiten sie am Atomkraftwerk, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Zwischenzeitlich sind sie abgezogen worden, weil die Strahlung zu hoch war. Doch sie sind wieder da. Und setzen alles daran, die defekten Reaktoren zu kühlen, um die Kernschmelze zu stoppen. An den 50 Männern in Fukushima hängt die Hoffnung der Welt.

Menschen fliehen vor der Strahlung
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Menschen fliehen vor der Strahlung

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Die Lage wird immer verzweifelter. Nach mehreren Explosionen ist die Strahlenbelastung enorm gestiegen. Die Reaktoren eins bis vier machen ernste Probleme und auch von den abgeschalteten Anlagen Nummer fünf und sechs werden Schwierigkeiten gemeldet. Niemand hat mehr die Kontrolle über die Geschehnisse in dem zerstörten AKW.

50 Atomexperten sind es noch, die in der Anlage gegen den drohenden Super-Gau kämpfen. Ursprünglich zählte die Belegschaft 800 Mann. Der Werksbetreiber Tepco schickte 750 von ihnen nach Hause. Die Strahlung war zu gefährlich.

Die verbliebenen Mitarbeiter setzen ihre Gesundheit, wenn nicht sogar ihr Leben aufs Spiel. Sie arbeiten unter den widrigsten Umständen in dem Atomkraftwerk, dessen Infrastruktur erheblich zerstört ist. In weißen Strahlenanzügen bewegen sich die 50 Arbeiter nach dem Stromausfall in völliger Dunkelheit, berichtet Spiegel-Online. Sie tragen Sauerstofftanks auf dem Rücken, Masken vor dem Gesicht. Immer wieder gibt es Explosionen und Brände. Niemand weiß, wann die Lage wieder eskaliert.

Die Welt schaut gebannt auf diese Männer. Viele fragen sich, warum sie diese gefährliche und vor allem ungewisse Situation aushalten. Einerseits sind sie Experten, die mit den Gefahren und Risiken der Arbeit in einem Atomkraftwerk vertraut sind. Andererseits beweisen sie enormen Mut. Natürlich sind sie auch geleitet von ihrer Mentalität, von Disziplin und Pflichtgefühl. Doch sie wird auch das Wissen vorantreiben, dass nur durch ihre Arbeit eine noch größere Katastrophe verhindert werden kann. Sie machen weiter - für die Menschen in Japan.

Der Präsident der deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, empfindet tiefes Mitgefühl für die Männer, die arme Teufel seien. "Schutzanzüge helfen nicht gegen radioaktive Strahlung", sagte er dem Nachrichtenportal n-tv.de und äußerte die Vermutung, dass die Arbeiter bereits jetzt erhebliche gesundheitliche Schäden erlitten hätten. "Die Anlage ist Schrott - ob die da noch Leute verheizen oder nicht", fügte er hinzu. Er forderte den sofortigen Abzug der Techniker.

Kürzere Schichten

Am Mittwoch mussten zwischenzeitlich auch die letzten 50 das Werk räumen, die Strahlung war auf einen bislang unbestätigten Wert von 1 Sievert angestiegen und löste die Evakuierung aus. Als er nach einigen Stunden wieder auf die Hälfte absank, kehrten die Arbeiter zurück. Sie werden nun in kürzeren Schichten eingesetzt, um die Strahlenbelastung geringer zu halten. Die Anwohner im Umkreis von zehn und später zwanzig Kilometern hatten ihre Häuser schon Tage vorher verlassen müssen.

Am Morgen wurden am Reaktor immer noch 400 bis 500 Millisievert gemessen. Ab 100 Millisievert steigt das Krebsrisiko an, bei einer einmaligen Dosis von 1 Sievert bricht die Strahlenkrankheit aus. Für Mitarbeiter eines Atomkraftwerks war in Japan bis zum Mittwoch eine Höchstdosis von maximal 100 Millisievert zugelassen. Am Tag 5 der Katastrophe setzte die Regierung in Tokio die Höchstgrenze nun auf 250 herauf. Es ist eine Neuregelung eigens für die 50 Männer in Fukushima.

Es drängt sich die Frage auf, ob der Einsatz der 50 Arbeiter eine Kamikaze-Aktion ist. In Tschernobyl nannte man die letzten Männer am Unglücksort "Liquidatoren". Ohne Schutz liefen die Menschen damals in die Hallen, die Gefahr war schließlich unsichtbar. Die Folgen ihres lebensgefährlichen Einsatzes bekamen sie erst später zu spüren. Die Fachleute in Fukushima sind wenigsten über die Gefahr ihres Einsatzes informiert - im Gegensatz zu den sowjetischen Arbeitern 25 Jahre zuvor. Auch die technischen Möglichkeiten und die Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeiter in Fukushima sind ungleich höher.

Doch manches spricht dafür, dass sie die tödliche Gefahr bewusst in Kauf nehmen. Als in der Nacht zu Dienstag nach einer schweren Explosion in Reaktor 2 die Strahlung um das 16-fache anstieg, blieben sie. Zwischenzeitlich wurden die Männer einmal abgezogen, denn die Strahlung war auf eine unmittelbar lebensgefährliche Dosis angestiegen. Doch schon bald kehrten sie zurück . Sie versuchen zu retten, was noch zu retten ist.

Der Super-Gau ist noch vermeidbar

Wenn überhaupt, gibt es nur kleine Erfolge. Oberst Michael Schuster, Strahlenexperte des österreichischen Bundesheers sagte im Gespräch mit dem ORF, dass das Auf und Ab der Temperaturen im Reaktor immerhin bedeuten könne, dass die Maßnahmen teilweise greifen. Genau weiß zur Zeit niemand, was im AKW Fukushima vor sich geht. Doch der Super-Gau ist noch vermeidbar. Es gibt noch Hoffnung.

Im Internet werden die letzten 50 Arbeiter von Fukushima bereits als Helden gefeiert. "Sie mögen gesegnet sein, die letzten 50 Menschen, die noch irgendwie versuchen, die Brennstäbe vor Ort zu kühlen!", schreibt ein User. "In Gedenken an die letzten 50 Helden, von denen 50 Prozent innerhalb der nächsten 12 Monate tot sein werden", heißt es in einer düsteren Prognose.

Die meisten sind den Arbeitern einfach sehr dankbar: "Man muss einfach Respekt und Hochachtung haben vor diesen Technikern in Fukushima, die unter Extrembedingungen gegen die Katastrophe ankämpfen."

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