"Tracking Santa" Die US-Luftwaffe ortet den Weihnachtsmann

Mit einer falschen Telefonnummer begann die wohl ungewöhnlichste Militäroperation der Welt: Seit 1955 informiert die US-Luftwaffe am Heiligen Abend Millionen Kinder aus aller Welt über die aktuelle Position von Santa Claus' Schlitten.

 Viel hilft viel: Rund 1500 Mitarbeiter des "North American Aerospace Defense Command" bringen sich bei der Aktion ehrenamtlich ein.

Viel hilft viel: Rund 1500 Mitarbeiter des "North American Aerospace Defense Command" bringen sich bei der Aktion ehrenamtlich ein.

Foto: Doscher/USAF

Der Weihnachtsmann ist vermutlich um die 1,70 Meter groß und wiegt etwa 130 Kilogramm. Sein Schlitten ist 75 Zuckerstangen lang, 80 Lutscher breit und wiegt beim Start umgerechnet 75.000 Bonbons. Das hat angeblich die Auswertung von Flugprofildaten per Radar- und Satellitenortung durch das nordamerikanische Luftraumüberwachungssystem NORAD ergeben — tatsächlich handelt es sich um eine mehr als 60-jährige Weihnachtsaktion für viele Millionen Kinder aus aller Welt. Auch First Lady Michelle Obama gehörte zu den Freiwilligen am Telefon, die alljährlich Fragen rund um den Weihnachtsmann beantworten.

"Tracking Santa" ("Den Weihnachtsmann verfolgen") entstand 1955 aus einem Zahlendreher in der Zeitungsanzeige eines Kaufhauses in Colorado Springs im US-Bundesstaat Colorado: Die angebliche Telefonnummer des Weihnachtsmanns war tatsächlich zufällig die der streng geheimen Luftverteidigungszentrale. Der damalige Einsatzleiter, der 2009 verstorbene Oberst Harry Shoup, schaltete schnell, als ihn ein kleiner Junge anrief, und wurde so "der erste offizielle NORAD-Beobachter des Weihnachtsmanns". Der Offizier antwortete mit einem tiefen "Ho, Ho, Ho" und nahm feierlich die Geschenkwünsche des Kindes entgegen. "Das war das Highlight meiner Karriere", sagte er später — und teilte von da an Jahr für Jahr Soldaten zum Telefondienst ein. Sie gaben jedem Kind, das anrief, die aktuelle Position des Weihnachtsmanns auf seiner Reise vom Nordpol in Richtung Süden durch.

So verbringen rund 1500 Mitarbeiter von NORAD, dem North American Aerospace Defense Command, sowie ihre Familien und Freunde alljährlich ehrenamtlich einen Teil ihrer Freizeit damit, Millionen Anrufe und E-Mails von Kindern auf der ganzen Welt zu beantworten. Natürlich ist der Weihnachtsmann inzwischen über das Internet zu sehen. Seit 2005 gibt es das Angebot auch auf Deutsch und findet Nachahmer wie den Google-Santa-Tracker — ein Plagiat ist bekanntlich die höchste Form der Anerkennung.

Für die US- und kanadischen Soldaten ist "Tracking Santa" eine willkommene Abwechslung zu ihrer Arbeit, rund um die Uhr den nordamerikanischen Luftraum und den Weltraum zu überwachen: "Wir sind die einzige Organisation, die über die notwendigen Technologien, Qualifikationen und Mitarbeiter für die Ortung des Weihnachtsmanns verfügt. Und wir lieben diese Aufgabe!" Und so beantworten sie augenzwinkernd-ernsthaft den jungen Anrufern unter anderem auch die Frage, wieso NORAD Santa so präzise verfolgen kann: "Unsere Satelliten rund 33.000 km über der Erde verfügen über Infrarotsonden und können Wärme erkennen. Wird eine Rakete abgeschossen, entsteht sehr große Wärme — genug, dass die Sonden sie aufspüren. Die dicke rote Nase des berühmten Rentiers Rudolph liefert ein Infrarotsignal ähnlich einem Raketenabschuss."

Folgt man den Angaben aus Colorado Springs, dann beginnt der Weihnachtsmann seine Reise meist an der internationalen Datumsgrenze im pazifischen Ozean und reist dann in westlicher Richtung weiter, besucht also zuerst den Südpazifik, dann Neuseeland und Australien. Danach macht er sich auf den Weg nach Japan, Asien und Afrika, und schließlich sind Westeuropa, Kanada, die USA, Mexiko, Mittel- und Südamerika an der Reihe. Nun sei der von Rudolph und acht weiteren Rentieren gezogene Schlitten zwar "schnell wie ein Wimpernschlag" und daher weder durch Flugabwehrraketen noch durch Abfangjäger gefährdet. Doch wird als politischer Seitenhieb gern mal eine Routenänderung verzeichnet, zum Beispiel wegen der von den Chinesen einseitig verhängten Flugverbotszone über dem Südchinesischen Meer.

An Heiligabend lässt sich ab elf Uhr morgens deutscher Zeit live am Computer mitverfolgen, wo Santa gerade seine Kreise zieht — im Zweifelsfall über dem Eiffelturm, dem Schloss Neuschwanstein oder der Chinesischen Mauer. NORAD koordiniere zwar den Beginn der Tour mit dem Reiseplanungs-Elfen, aber die genaue Route kenne nur der Weihnachtsmann selbst, wird betont. Schon jetzt ist die Website aktiv und bietet unter anderem Spiele, Filme und Souvenirs an — weihnachtsliedermusikalisch begleitet vom Musikkorps der US-Luftwaffenakademie, die ebenfalls in Colorado Springs beheimatet ist.

Wie ist es möglich, dass der Weihnachtsmann in 24 Stunden um die ganze Welt reisen kann? Auch auf diese Kinderfrage sind die Beobachter eingestellt. "Informationen des Geheimdienstes von NORAD zufolge nimmt er die Zeit anders wahr als wir. Seine Reise scheint für uns nur 24 Stunden zu dauern, aber in der Zeitrechnung des Weihnachtsmanns dauert sie mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate. Er möchte sich für seine wichtige Aufgabe Zeit nehmen und sich beim Verteilen der Geschenke und dem Verbreiten von Weihnachtsstimmung nicht so abhetzen." Daher sei die einzige logische Erklärung die, dass für Santa Claus ein eigenes Raum-Zeit-Kontinuum existiere.

Oberst Harry Shoup hätte sich gewiss nicht träumen lassen, welche Kreise sein zufälliges Telefongespräch gezogen hat. Sogar aus Deutschland können Kinder mittlerweile anrufen (+1 877 446-6723) oder sich an Heiligabend per E-Mail nach dem Aufenthaltsort des Weihnachtsmanns erkundigen: noradtrackssanta@outlook.com. Chats und der Kontakt per App ist ebenfalls möglich.

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