Frauen in Paris per Kopfschuss getötet Drei Kurdinnen erschossen aufgefunden

Paris · Die regelrechte Hinrichtung dreier kurdischer Aktivistinnen in Paris hat am Donnerstag Frankreich erschüttert. Der Leiter des kurdischen Instituts, Kendal Nezan, sprach im französischen Fernsehsender BFM von einem "politischen Mord". Nezan bestätigte, dass es sich bei einer der Frauen um ein Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) handele.

 Sakine Cansiz, eines der Opfer, gehört zu den Gründungsmitglieder der PKK.

Sakine Cansiz, eines der Opfer, gehört zu den Gründungsmitglieder der PKK.

Foto: dapd

Die Leichen der drei Aktivistinnen waren in der Nacht mit Kopfschüssen im kurdischen Informationszentrum entdeckt worden. Hunderte Kurden demonstrierten vor dem Gebäude gegen die Tat und riefen "Türkei-Mörder". Der französische Innenminister Manuel Valls sagte bei einem Besuch des Tatorts, die Frauen seien "zweifellos hingerichtet worden". Auf die Hintergründe wollte Valls noch nicht eingehen, dazu müssten die Ermittler erst ihre Arbeit machen. Die Behörden seien aber entschlossen, das "unerträgliche" Verbrechen aufzuklären.

Hunderte Kurden demonstrieren vor Tatort

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Gewalttat versammelten sich spontan hunderte Menschen vor dem Tatort. Die Demonstranten riefen: "Wir sind alle PKK". Die türkische Regierung verhandelt derzeit mit dem inhaftierten Chef Abdullah Öcalan über eine Entwaffnung der verbotenen PKK. "Ich frage mich, ob das zusammenhängt", sagte Nezan.

"Wir sind sehr schockiert"

Dem Radiosender Europe 1 zufolge waren die drei Frauen seit Mittwochnachmittag allein in dem Gebäude. Ein Nachbar hörte gegen 18.00 Uhr einen Knall, reagierte aber nicht. Freunde der Opfer alarmierten die Polizei, die schließlich kurz vor zwei Uhr nachts gewaltsam in das verschlossene Gebäude in der Nähe des Nordbahnhofs eindrang.

Bei den Opfern soll es sich um das PKK-Gründungsmitglied Sakine Cansiz, die Vertreterin des Kurdischen Nationalkongresses in Frankreich, Fidan Dogan, und die Jugendaktivistin Leyla Söylemez handeln. "Wir sind sehr schockiert", sagte der Vorsitzende der kurdischen Vereinigungen, Leon Edart, Europe 1. Es sei das erste Mal, dass so etwas in Europa passiere.

Frankreich hat mit rund 150.000 Mitgliedern eine große kurdische Exil-Gemeinde. Die PKK kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für politische Autonomie in den von Kurden bewohnten Regionen im Südosten der Türkei. Rund 45.000 Menschen starben in dem Konflikt. Die EU und die USA betrachten die PKK als terroristische Vereinigung.

Cansiz war Gründerin der PKK

Sakine Cansiz gehörte 1978 zu den Gründern der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die sich mit der Türkei nun seit fast 30 Jahren einen blutigen Kampf um einen eigenen Staat oder zumindest Autonomie liefert. Von den wenigen zuletzt noch lebenden Führungskadern der ersten Stunde war sie nach kurdischen Angaben die einzige Frau.

Cansiz wurde 1958 in der anatolischen Provinz Tunceli geboren. Sie wurde 1979 - im Jahr nach der PKK-Gründung - in Diyarbakir inhaftiert und dort auch türkischen Berichten zufolge schwer gefoltert. Nach ihrer Freilassung 1991 habe sie sich wieder der PKK angeschlossen und sei unter dem Decknamen "Sara" in mehreren Staaten des Nahen Ostens aktiv gewesen.

1998 erhielt Cansiz politisches Asyl in Frankreich. In Interviews ging sie in den letzten Jahren immer wieder besonders auf die Rolle der Frau ein. Sie habe als "die Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampfes" gegolten, teilte das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt am Donnerstag mit.

Türkische Medien berichten aber, Cansiz sei wegen interner Kritik innerhalb der PKK-Führung in Ungnade gefallen und gezwungen worden, in die zweite Reihe zurückzutreten.

Die Türkei suchte Cansiz mit internationalem Haftbefehl als Mitglied der PKK, die in den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft wird. Cansiz wurde auf dieser Grundlage 2007 in Hamburg festgenommen, dann aber wieder freigelassen. Unmittelbar vor dem Anschlag wollte sie offenbar erneut nach Deutschland fahren. Sie habe bereits eine Bahnfahrkarte vom Pariser Bahnhof Gare du Nord gehabt, sagte ein Mitarbeiter des kurdischen Institutes in Frankreich am Donnerstag.

(dpa/apd/nbe/felt)
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