Nach dem Erdbeben und Tsunami in Japan Ein Leben zwischen Trümmern

Tokio (RPO). Sie haben kein Dach mehr über dem Kopf, vermissen Familienangehörige und Freunde. Und die atomare Bedrohung ist noch nicht gebannt. Doch für die Überlebenden der Erdbebenkatastrophe von Japan muss das Leben weitergehen. Wie, wissen sie manchmal selbst nicht.

Überleben im japanischen Erdbebengebiet
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Überleben im japanischen Erdbebengebiet

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Vielen Menschen, die nicht unmittelbar von dem Beben und dem darauffolgenden Tsunami betroffen waren, bereiten vor allem die Berichte über radioaktiv belastete Lebensmittel Sorgen. In Tokio und Umgebung kam es bereits zu Hamsterkäufen. "Die Kunden fragen uns nach Wasser, aber es ist alles ausverkauft", sagte ein Händler im Osten der Hauptstadt.

Andere wiederum mussten ihre Heimat verlassen, weil kein Stein mehr auf dem anderen steht. "Niemand wagt es, laut darüber zu reden, aber tief im Herzen sorgt sich jeder von ihnen, dass sie frühestens in einigen Jahren zurückkehren können", sagt Schuldirektor Yoichi Azuma.

In der Turnhalle seiner Wirtschaftsschule in Koriyama haben 150 Flüchtlinge Unterschlupf gefunden - nur wenige Kilometer außerhalb der Sperrzone. "Die Menschen haben drei Katastrophen hinter sich: das Erdbeben, die Flutwelle und nun die unsichtbare Gefahr der Strahlen, was eine von Menschen gemachte Katastrophe ist." Die Wut über das Atomdesaster wachse von Tag zu Tag.

Hilfslieferungen kommen in Gang

Für die rund eine viertel Million Obdachlosen im Osten des Landes verbesserte sich die Lage ein wenig. Hilfslieferungen kamen in Gang, die Stromversorgung war teilweise wieder gesichert. "Die Dinge laufen viel besser", sagte der 57-jährige Tsotumo Hirayama, der mit seiner Familie in einer Notunterkunft in Ofunato Unterschlupf gefunden hatte. "An den ersten Tagen gab es nur Reisbällchen und Wasser. Jetzt gibt es jede Menge Lebensmittel."

Andernorts beginnen dagegen die Aufräumarbeiten. Mayumi Hatanaka etwa steht in ihrem kleinen Restaurant im Küstenort Shiogama bis zu den Knien im Schlamm. "Wir arbeiten seit vier Tagen", sagt sie. Gemeinsam mit ihrer Tochter schiebt sie den Unrat aus der Einfahrt auf die Straße.

Arbeiter der Stadt nehmen den klebrigen Schlamm mit einem großen Sauger auf. Es habe allein drei Tage gedauert, den Mittelgang des Restaurants freizulegen, sagt Hatanaka. Noch wisse sie nicht, ob sie jemals wieder eröffnen kann. "Ich glaube, wir werden niemals fertig", sagt Hatanaka.

"Ich gewöhne mich an die Zerstörung"

Der Hafenarbeiter Mitsuyoshi Abe steht in der Stadt Soma vor dem Friseursalon seiner Frau. Das Gebäude steht zwar noch, doch die Schäden sind so gewaltig, dass Abe gar nicht weiß, wo er mit den Reparaturarbeiten beginnen soll. "Langsam fängt es an, ganz normal auszusehen", sagt Abe. "Ich gewöhne mich an die Zerstörung." Das Haus ist jedoch seine geringste Sorge. Ihn macht etwas anderes nervös: "Ich habe das Gefühl, dass wir geopfert werden. Jeder will Strom, aber das Atomkraftwerk hat uns wirklich fertiggemacht. Wir können nicht über unsere Zukunft nachdenken, solange die Situation nicht bereinigt ist."

Etwas weiter die Straße hinab begutachtet Toshiaki Kikuchi die Schäden an dem kleinen Hotel, das er mit seiner Frau betreibt. Aus geplatzten Rohren läuft Wasser auf die Straße, eine dicke Schicht schwarzen Schlamms bedeckt das gesamte Gelände und ein Boot sowie mehrere Autos sind vor den Eingang gespült worden. "Ich kann mich nicht beschweren", sagt Kikuchi. "Ich bin am Leben." Dann wird der 63-Jährige doch nachdenklich. "Ich habe, was ich brauche. Was wir nicht haben, ist eine Zukunft."

(RTR/AFP/dapd/das)
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