Atomkatastrophe von Fukushima Ein Sarkophag als letzter Ausweg

Tokio (RPO). Die Arbeiter am AKW Fukushima kämpfen Tag für Tag gegen das drohende Desaster. Immer wieder kommen neue Ideen auf, um die Ausbreitung der radioaktiven Strahlung in Japan zu verhindern. Und auch die eines Sarkophags wie in Tschernobyl ist noch lange nicht vom Tisch. Doch diese Möglichkeit birgt Risiken.

Luftaufnahmen des Atomkraftwerks Fukushima
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Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Atomkatastrophe in Japan sind dramatisch gesunken. Die Situation in den Unglücksreaktoren von Fukushima sei außer Kontrolle, räumte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwoch ein. Wann die Regierung die Lage wieder in den Griff bekommen werde, sei noch völlig unklar. "Wir sind nicht in einer Situation, in der wir sagen können, dass wir dies in einem bestimmten Zeitraum unter Kontrolle haben werden", sagte Edano mit Blick auf die Eindämmungsversuche an den Reaktor-Ruinen. Bis die überhitzten Reaktoren stabilisiert seien, dürfte nach Angaben des AKW-Betreibers Tepco "noch einige Zeit" vergehen.

Jetzt will die japanische Regierung laut einem Bericht der Zeitung "Asahi Shimbun" die Reaktoren 1, 3 und 4 des AKW mit Planen abdecken, um die radioaktive Strahlung zu mindern. Aus welchem Material die Planen bestünden, wurde nicht bekannt.

Der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde, Hidehiko Nishiyama, selbst sprach von Zelttuch, das die Reaktoren abdecken könnte. Auf diese Weise könnten sich Arbeiter möglicherweise jeweils für längere Zeiträume im Gefahrenbereich aufhalten.

Und es gibt noch eine zweite Idee. Um die Ausbreitung der Radioaktivität einzudämmen, will der japanische Kraftwerksbetreiber Tepco eigenen Angaben zufolge den Boden rund um die schwer beschädigten Reaktoren mit Kunstharz besprühen. Die Methode solle am Donnerstag zunächst in einem Teilbereich getestet werden, sagte Nishiyama. Die Idee dahinter sei die, die radioaktiven Partikel am Erdboden "festzukleben".

Eine Hülle aus Sand, Blei und Beton

Auch der Strahlenexperte Edmund Lengfelder erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur dapd, dass die Reaktoren von oben abgedeckt werden müssten, damit die gasförmige Ausbreitung der Radioaktivität gestoppt werde. Allerdings denke er da an Sand oder eben einen Sarkophag, wie es einst in Tschernobyl geschehen war.

Solche Überlegungen spielen durchaus noch eine Rolle. Ein Sarkophag nach dem Beispiel von Tschernobyl sei eine Möglichkeit, hieß es erneut vonseiten des Betreibers Tepco. Es habe in der Frage aber noch keine Entscheidung gegeben.

Tausende Arbeiter hatten damals, im Jahr 1986, den Sarkophag aus Beton, Sand, Kies und Blei um den beschädigten Reaktorblock 4 in Tschernobyl errichtet. Viele setzten sich damit enormer Strahlung aus und trugen erhebliche Gesundheitsschäden davon. Doch in Tschernobyl, wo es zu einer vollständigen Kernschmelze gekommen war, blieb keine andere Möglichkeit mehr.

Ein Sarkophag bietet jedoch keinesfalls hunderprozentige Sicherheit, wie sich am Beispiel Tschernobyls zeigt. Denn die massive Schutzhülle wurde brüchig, drohte gar einzustürzen. Experten fürchteten sogar, dass Wasser eindringen könnte. Und die Strahlung rund um Tschernobyl ist noch immer massiv. Wie die Gesellschaft für Reaktorsicherheit auf ihrer Internetseite schreibt, sollte der Sarkophag in Tschernobyl für eine Übergangszeit von 20 bis 30 Jahren das radioaktive Material umschließen. Derzeit werde seine Funktion durch Stabilisierungsmaßnahmen aufrechterhalten. Und im Laufe der Zeit nächsten Jahre soll er durch einen neuen Sarkophag ersetzt werden, der die Umgebung 100 Jahre vor der Strahlung schützen soll.

Kühlung bleibt das Wichtigste

Das Beispiel Tschernobyl zeigt, wie schwierig es ist, die Umgebung dauerhaft vor massiver radioaktiver Strahlung zu schützen - von den immensen Kosten einmal ganz abgesehen. Aber in Fukushima gibt es noch weitaus mehr Hoffnung als damals in Tschernobyl, schließlich soll es bisher lediglich zu einer teilweisen Kernschmelze gekommen sein. Und noch geben die Arbeiter die Hoffnung nicht auf, die Kühlsysteme wieder in Gang zu bekommen.

Kühlung benötigt man aber auch für die Errichtung eines Sarkophags, wie der Reaktorexperte Christian Küppers vom Ökoinstitut in Darmstadt gegenüber der "Frankfurter Rundschau" erläuterte. Seiner Ansicht nach kann ein solches Unternehmen erst in Monaten gestartet werden. Hitze und radioaktive Strahlung müssten so weit abgeklungen sein, dass Menschen länger ohne Gefahr daran arbeiten könnten, so Küppers. Derzeit seien die Reaktoren teilweise noch so heiß, dass darauf gekippter Sand zu Glas schmelzen würde.

So werden die Arbeiter vor Ort trotz widriger Bedingungen weiter daran arbeiten müssen, die Kühlung des AKW wieder zu gewährleisten. Fest steht jedenfalls schon jetzt, dass vier der sechs Reaktorblöcke sicher verschrottet werden sollen, wie der Betreiber Tepco mitteilte. Über das Schicksal der verbleibenden zwei Reaktoren soll nach Gesprächen mit der Regierung und Anwohnern entschieden werden.

(mit Agenturmaterial)
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