Vulkanasche aus Island sorgt für Chaos Ein Viertel aller europäischen Flüge fällt aus

Düsseldorf (RPO). Gigantische Aschewolken eines isländischen Vulkans haben am Donnerstag den Flugverkehr in weiten Teilen Nordeuropas lahmgelegt. In Großbritannien, Irland, Belgien und mehreren skandinavischen Ländern wurde der Flugbetrieb komplett eingestellt, auch in Deutschland fielen Flüge aus. Über eine Sperrung des Luftraums über Norddeutschland sollte am Abend entschieden werden, in der Nacht sollte die Aschewolke dann Frankfurt am Main erreichen.

Aschesäulen nach Vulkanausbruch auf Island
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Aschesäulen nach Vulkanausbruch auf Island

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"Es wird Maßnahmen geben", sagte ein Sprecher der Deutschen Flugsicherung am Abend der Nachrichtenagentur AFP. Die Entscheidung über eine Sperrung des norddeutschen Luftraumes stand jedoch noch aus. Am Hamburger Flughafen wurde einer Sprecherin zufolge mit Beschränkungen gerechnet. Vorerst gebe es aber noch Starts und Landungen.

An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main wurden bis zum Nachmittag bereits 140 Flüge gestrichen. In der Nacht zum Freitag wird die Aschewolke dort erwartet. Das könnte ebenfalls Sperrungen im Luftverkehr zur Folge haben.

Der Flugverkehr über Großbritannien sollte mindestens bis Freitagmorgen um 06.00 Uhr (Ortszeit, 08.00 MESZ) gesperrt bleiben. Auch in Belgien und den Niederlanden wurde der Luftraum komplett gesperrt. Ab dem späten Nachmittag blieben in Belgien alle Maschinen am Boden. Die Sperrung sollte nach Angaben des Flughafens in Brüssel mindestens bis 22.00 Uhr dauern. In den Niederlanden sollten ab 19.00 Uhr keine Flugzeuge mehr starten und landen.

In Frankreich wurden am Nachmittag die Flughäfen im Norden des Landes dicht gemacht, spätestens um 23.00 Uhr sollten auch die in Paris folgen. In Norwegen, Dänemark und Schweden wurden alle Flughäfen geschlossen. Nach Angaben der norwegischen Regierung sollten auch am Freitag alle Maschinen am Boden bleiben. In Dänemark sollte der Luftraum am frühen Abend abgeriegelt werden, in Schweden ab 22.00 Uhr. Ein Flugverbot gab es auch in Finnland.

Mit bis zu 5000 gestrichenen Flügen fielen in ganz Europa fast ein Fünftel aller Flüge aus, wie die europäische Luftfahrtbehörde Eurocontrol mitteilte. Sie registriert normalerweile rund 28.000 Flüge am Tag. Die Beeinträchtigungen könnten demnach zwei Tage andauern. In ganz Nordeuropa waren auch Langstreckenflüge, etwa in die USA, betroffen.

Nach dem Ausbruch eines Vulkans unter dem isländischen Gletscher Eyjafjalla am Mittwochmorgen war eine gewaltige Aschewolke über Europa hinweggezogen. Experten zufolge kann die Vulkanasche, die sich in einer Höhe von sechs Kilometern befindet, die Triebwerke der Flugzeuge beschädigen und zudem die Sicht der Piloten beeinträchtigen.

Auf Island selbst war der Luftverkehr nicht beeinträchtigt. Der Wind habe die Aschewolke vollständig weggetrieben, sagte Hjordis Gudmundsdottir von der isländischen Luftfahrtbehörde. Der Ausbruch vom Mittwoch war bereits der zweite schwere Vulkanausbruch auf Island innerhalb eines Monats.

Der Vulkan auf Island spuckt nach Angaben von Experten noch mehr Asche aus. Es gebe kein Anzeichen, dass sich die Aktivität unter dem Gletscher Eyjafjallajökull abschwäche, sagte der Vulkanforscher Armann Hoskuldsson von der Universität von Island der Nachrichtenagentur Reuters. "Es wird noch stärker, aber Lava wird es nicht geben - es ist eine rein explosive Eruption", erklärte der Wissenschaftler.

Sicherheitsgefahr für Flugzeuge

Die Vulkanasche stellt eine Sicherheitsgefahr für Flugzeuge dar. Die aufsteigende Asche ist nicht mit der von einem Feuer vergleichbar. In den Aschesäulen befinden sich Minerale und Salze, die die Turbinen der Flugzeuge beschädigen können.

Eine British-Airways-Maschine war 1982 in eine Aschewolke über Indonesien geflogen, wodurch zeitweise alle Triebwerke ausfielen und das Flugzeug drastisch an Höhe verlor.

Eine Gefahr für die Menschen in Deutschland besteht dabei wohl nicht. Wie Rainer Wolf, stellvertretender Leiter des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen unserer Redaktion sagte, werden es nur sehr feine Partikel sein, die über Deutschland ankommen. Und diese seien für den Menschen ungefährlich. "Bis diese auf die Erde kommen, haben sie nicht mehr eine große Dichte", erklärt er.

Wolf geht davon aus, dass man bei uns die Aschewolke überhaupt nicht sehen kann. "Ich stelle mir das vor, wie wenn Sand aus der Sahara zu uns rüber weht", sagte er. Dann liege oft eine feine Staubschicht etwa auf Autos, ohne dass man von dem Wind selbst etwas mitbekommen habe.

Die Wolke hatte am Donnerstagmittag eine Größe von 200 mal 100 Kilometern, wie Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst auf Anfrage des DAPD mitteilte. Schwere Ascheteile seien bereits über Island niedergegangen. Die feineren Aschepartikel könnten bis in die Stratosphäre in 20 Kilometer Höhe aufsteigen und dort mehrfach die Erde umrunden. Die Wolke werde sich voraussichtlich in Richtung Südost über Europa ausbreiten, sagte Malewski.

Mit zunehmender Ausbreitung verliere sie an Dichte. Die Wolke, die über Norddeutschland erwartet werde, dürfte nicht so dunkel aussehen wie eine dichte Gewitterwolke, sondern werde eher einem Hochnebel ähneln. Der Meteorologe rechnete mit einem nur geringem Ascheniederschlag über Norddeutschland. Wie genau sich die Wolke in nächster Zeit entwickele, hänge auch von der Dauer und der Intensität des Vulkanausbruchs ab.

Hochwasseralarm nach Ausbruch

Der gewaltige Ausbruch hatte auf Island zunächst Hochwasseralarm ausgelöst. Etwa 800 Anwohner wurden bereits am Mittwoch in Sicherheit gebracht, nachdem die glühendheiße Lava das Eis eines Gletschers über dem Vulkan zum Schmelzen gebracht hatte. Dampf und Rauch stiegen kilometerweit in die Höhe. Der Ausbruch war nach Angaben von Wissenschaftlern zehn- bis zwanzigmal so stark wie der erste vor knapp vier Wochen.

Der 120 Kilometer östlich von Reykjavik gelegene Vulkan war am 20. März erstmals seit fast 200 Jahren wieder ausgebrochen. Am Mittwoch stiegen die Pegelstände mehrerer Flüsse um bis zu drei Meter.

Die Wucht des Ausbruchs sei so groß gewesen, weil es eine gegenseitige Beeinflussung mit Eis und Wasser gegeben habe, sagte Andy Russell von der University of Newcastle. "Statt eines netten Lava-Stroms, der aus dem Boden sickert, wird es viel explosiver." Anzeichen dafür, dass der in der Nähe gelegene Vulkan Katla auch ausbrechen könnte, gab es nach Angaben von Wissenschaftlern nicht.

Die Evakuierung des Gebiets um den Gletscher war schon vorher eingeleitet worden, nachdem es Berichte über eine erhöhte seismische Aktivität gab, wie ein Sprecher des Katastrophenschutzes mitteilte. Die Anwohner wurden in ein Rotkreuz-Zentrum in der nahe gelegenen Ortschaft Hvolsvollur gebracht. Die Hauptküstenstraße wurde unweit des Vulkans gesperrt.

Arbeiter rissen ein Loch in die Fahrbahn, um dem Schmelzwasser ein Abfließen ins Meer zu erleichtern und damit zu verhindern, dass eine größere Brücke von den Fluten weggespült werden könnte.

(AFP/RTR/born)
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