Wegen Umgangs mit Produkten aus Japan EU-Kommission in der Kritik

Brüssel (RPO). Die EU-Kommission steht wegen ihres Umgangs mit möglicherweise radioaktiv verseuchten Lebensmitteln aus Japan in der Kritik. Ein Kommissionsprecher wies am Mittwoch in Brüssel den Vorwurf zurück, geltende Grenzwerte für die Belastung von Produkten aus Japan seien angehoben worden.

Die Tepco-Bosse verneigen sich
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Die Organisation Foodwatch spricht hingegen von einem "Formulierungstrick", es seien sehr wohl andere Grenzwerte als vor den Atomstörfällen in Japan in Kraft.

"Wir haben überhaupt nichts angehoben", sagte ein Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Eine am Wochenende in Kraft getretene Durchführungsverordnung der Kommission verschärfe die Bestimmungen für Kontrollen von Lebensmitteln aus Japan, die nach dem ersten Reaktorunfall im Atomkraftwerk Fukushima am 11. März geerntet oder erzeugt worden seien. Die zulässigen Höchstwerte für radioaktive Belastung seien hingegen nicht geändert worden.

Bis zu zwanzigmal höhere Grenzwerte

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sieht darin einen "Formulierungstrick". Zwar seien auf dem Papier keine Werte angehoben worden, sagte Foodwatch-Sprecher Martin Rücker. Durch die Verordnung seien aber nun andere Werte für die Höchstbelastung mit Radioaktivität für Produkte aus Japan gültig als vor den dortigen Störfällen. Sie ersetzen Foodwatch zufolge im Moment die zuvor gültigen niedrigeren Werte.

Demnach wurden die zulässigen Höchstwerte von Cäsium 134 und Cäsium 137 in Säuglingsnahrung, Milchprodukten oder anderen Lebensmitteln aus Japan deutlich erhöht - für bestimmte Lebensmittel wie Gewürze oder Fischöle sogar um ein Zwanzigfaches.

In einer Foodwatch-Mitteilung erklärte der Abteilungsleiter bei dem für die Kontrolle von Lebensmittelimporten zuständigen Institut für Hygiene und Umwelt der Stadt Hamburg, Manfred Kutzke: "Für Produkte aus Japan - und nur für diese - gelten jetzt höhere Grenzwerte als vor dem Atomunfall. Das heißt, würde ein aus dieser Region importierter Pilz eine Belastung von 800 Becquerel pro Kilogramm aufweisen, dann würde dieser zurzeit nicht beanstandet. Vor Fukushima wäre er wegen Überschreitung des Grenzwertes von 600 Becquerel pro Kilogramm beanstandet worden, wie weiterhin auch ähnlich belastete Produkte aus anderen Regionen."

Foodwatch fordert kompletten Exportstopp

Hintergrund ist Foodwatch zufolge, dass die EU-Verordnung nach der Nuklearkatastrophe im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986 entstanden sei. Damals sollte demnach durch erhöhte Grenzwerte eine mögliche Lebensmittelknappheit verhindert werden. Dies sei in der jetzigen Lage jedoch nicht zu erwarten. Zusammen mit dem Umweltinstitut München fordert Foodwatch einen kompletten Exportstopp für Lebensmittel aus Japan.

Der Umgang der EU-Kommission mit einer möglichen radioaktiven Verseuchung von Lebensmitteln aus Japan stößt in einem weiteren Punkt auf Kritik: "Die EU erlaubt den Import radioaktiv belasteter Lebensmittel, die in Japan selbst nicht mehr zum Verzehr zugelassen wären, da in Japan deutlich strengere Grenzwerte gelten", bemängelte die Chefin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms.

Die Grenzwerte der EU sind demnach höher als in Japan selbst, wo die erlaubten Höchstmengen für radioaktive Belastung von Lebensmitteln als Reaktion auf die Störfälle gesenkt wurden.

(AFP/jre)
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