Dokumentation über die Frauenorganisation Femen und der Mann hinter den Kulissen

Venedig/Paris · Diese Dokumentation sorgte in Venedig für Aufregung. Nicht etwa, weil die Protagonistinnen barbusig auf dem Roten Teppich erschienen. Vielmehr ging es um den Inhalt des Filmes über die Frauenbewegung Femen. Denn eine wichtige Rolle in der Gruppe spielte ausgerechnet ein autoritärer Mann.

Sie stellten sich Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Eröffnung der Hannover-Messe entgegen, sie protestierten beim Finale von "Germany's Next Topmodel", und kürzlich sorgten gleich mehrere Aktivisten für Schlagzeilen, weil sie wegen ihres barbusigen Protestes in Tunesien ins Gefängnis kamen. Die Rede ist von der Frauenorganisation Femen, die weltweit — in dem sie oben ohne demonstriert — gegen die Unterdrückung der Frauen kämpft.

Doch die Dokumentation "Die Ukraine ist kein Bordell" der australischen Regisseurin Kitty Green hat bei den Filmfestspielen in Venedig bei manchem Zuschauer für einen ganz anderen Eindruck gesorgt. Denn der Film zeigt, dass ausgerechnet ein Mann die Strippen hinter den Kulissen der Organisation zog, der sich vor der Kamera ganz selbstverständlich "Patriarch" nennt. Sein Name ist Viktor Swjatski, und er kommt in dem Film auch zu Wort — und das nicht gerade positiv.

Swjatski im Film: "Diese Mädchen sind schwach"

So zitiert die britische Zeitung "Independent" die Regisseurin mit den Worten, dass Femen Swjatskis Bewegung sei und er die Mädchen für die Proteste ausgewählt habe — die Schönsten, weil das mehr Aufmerksamkeit errege. "Die schönsten Mädchen kommen auf die Titelseiten (...) das wurde ihr Image, das wurde die Art, wie sie ihre Marke verkauften", sagt die 28-jährige Green.

Sie war für die Dokumentation in die Ukraine gereist, hatte mit mehreren Femen-Aktivistinnen ein Jahr zusammengelebt und ihre Aktionen gefilmt — für die Gruppe und für ihre Dokumentation. "Wenn du einmal im inneren Zirkel bist, kommst du nicht um ihn herum. Er ist Femen", zitiert die Zeitung die Regisseurin. Zum Abschluss bekam sie dann den Ukrainer selbst vor die Kamera, und er wurde deutlich, was er von seinen Aktivistinnen hält. "Diese Mädchen sind schwach", sagt er. "Sie haben keinen starken Charakter." Und auf die Frager, ob er Femen gegründet habe, um Mädchen zu bekommen, habe er geantwortet: "Vielleicht ja, tief in meinem Unterbewusstsein."

Auch die Frauen selbst kommen in der Dokumentation zu Wort, wenn es um Swjatski geht. "Wir sind psychologisch abhängig von ihm", sagt da etwa ein Mädchen. Immer autoritärer sei er geworden, obwohl er am Anfang noch bewundert worden sei. Es klingt wie ein Widerspruch zu dem, für was die Aktivistinnen tagtäglich kämpfen und auch Gefängnis und Misshandlungen riskieren. Doch die Regisseurin und die Femen-Gründerin Anna Hotsul wollen davon nichts wissen.

Green: "Femen entwickelt sich weiter"

Denn was dem Zuschauer in Venedig nicht sofort bewusst wurde, ist der Fakt, dass Viktor Swjatski keine Rolle mehr bei Femen spielt. Der Film wurde Mitte vergangenen Jahres fertiggestellt, die Organisation hat sich inzwischen von ihrem "Patriarchen" getrennt. "Dieser Film enthüllt nichts", sagte Hotsul der "Süddeutschen Zeitung". "Er zeigt einfach den internen Kampf innerhalb von Femen. Der Zuschauer sieht den Kampf von uns Frauen gegen einen Mann, und wir gewinnen den Kampf." So heiße es auch am Ende des Films von einer Aktivistin: "Wir müssen uns jetzt von ihm befreien."

"Eigentlich wollte ich zwar eine Dokumentation über mutige Feministinnen drehen. Als ich feststellte, was für eine immense Rolle dieser Viktor spielt, war ich sehr überrascht", sagt Regisseurin Green, fügt aber hinzu: "Aber ich habe gesehen, dass sich die Frauen gegen ihn auflehnen, und ich habe diesen Kampf dokumentiert."

In die Gruppe geholt hat ihn laut der Zeitung übrigens Hotsul. Das war im Jahr 2008 kurz nach der Gründung der Organisation. "Er sollte uns erstens ideologisch unterstützen, und zweitens wollten wir unseren Feind, den Mann, besser verstehen", sagt sie. Und auch Green scheint ihn als intelligenten Mann gewissermaßen zu bewundern. "Er kann sehr schrecklich sein, aber er ist unglaublich intelligent", wird sie vom "Independent" zitiert. Und der "Zeit" sagte sie: "Femen entwickelt sich weiter. Viktor sind sie endlich los, und das ist der erste Schritt zu einer echten feministischen Organisation."

(das)
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