Im Auto über die Grenze Wie Privatleute zu Fluchthelfern werden

Wien/Röszke · Immer mehr Privatleute bringen auf eigene Faust Asylsuchende über die österreichisch-ungarische Grenze. Sie selbst sehen sich als Helfer mit Zivilcourage, für die lokalen Behörden sind sie kriminelle Schleuser.

Flüchtlinge glücklich und erschöpft auf dem Weg nach Deutschland
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"Es kann legitim sein, was nicht legal ist." Das Blatt, aus einem Spiralblock herausgerissen und an die Innenscheibe eines Transporters geklebt, lässt es bereits erahnen. Dass die Menschen, die gleich bei Wien in ihre Autos steigen, um in Richtung ungarischer Grenze zu fahren, fest entschlossen sind. Sie sagen: um zu helfen. Behörden sagen: um zu schleusen.

Immer mehr Privatleute finden sich an der österreichisch-ungarischen Grenze ein, um auf eigene Faust und Kosten Flüchtlinge zu transportieren. Mit dem Auto über die Grenze nach Österreich, danach geht es für die Asylsuchenden häufig weiter in Zügen nach Deutschland, Schweden oder in die Niederlande.

Unter Hashtags wie #carsofhope und #convoysofhope tauschen sie sich auf Twitter aus, in Facebook-Gruppen verabreden sie sich zu Konvois — in der Gruppe fühlen sich die meisten sicherer. Denn: Flüchtlinge im privaten Auto mit über die Grenzen zu nehmen, ist illegal.

Alleine der Verdacht auf Menschenschmuggel kann in Ungarn mit Haftstrafen belangt werden. Wird einem organisierter Menschenschmuggel vorgeworfen, drohen bis zu 16 Jahre Haft. Wer dabei erwischt wird, dass er Flüchtlinge in sein Auto lädt, kann an Ort und Stelle festgesetzt werden. Das ist zwar selten, wie von den Aktivisten beteuert wird. Aber auch der größte Trotz kann nicht verschleiern: Es kommt vor.

Auch wenn in den vergangenen Tagen Zehntausende Flüchtlinge mit Zügen abreisen durften: Im Flüchtlingszentrum in Röszke an der serbisch-ungarischen Grenze kochen die Emotionen immer wieder hoch. Viele Flüchtlinge machen sich zu Fuß in Richtung Österreich auf, auch auf den Landstraßen und entlang der Autobahnen werden sie von den Aktivisten eingesammelt. "Manche wollen am Anfang gar nicht glauben, dass die Autos wirklich für sie gekommen sind", sagt einer der Helfer. "Aber das sind sie."

Die Beschlüsse des sogenannten Dublin-Verfahrens sehen vor, dass Flüchtlinge in der EU Asylanträge grundsätzlich in dem Land stellen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Mittlerweile aber werden Syrer in Deutschland nicht mehr zurück nach Ungarn geschickt, sondern dürfen hier ihre Asylanträge stellen. Viele Flüchtlinge hält es daher nicht mehr jenseits der Grenze. Sie wollen nur noch in das für sie gelobte Land.

Die Helfer wollen keine Schleuser sein, wie sie sagen. Sie nehmen kein Geld für den Transport, verteilen vor Ort Hilfsgüter. Wo auf dem Hinweg noch Decken, Jacken und Lebensmittel auf die Rückbank gestopft sind, drängeln sich auf dem Rückweg syrische Familien. Bei den Namen für ihre Aktion sind die Privatleute kreativ: "Schienenersatzverkehr" ist einer davon.

In Österreich droht den Aktivisten weniger großes Ungemach als in Ungarn. Dort wird illegale Grenzüberschreitung lediglich mit Geldstrafen sanktioniert — die kann mit mehreren Tausend Euro aber durchaus empfindlich ausfallen. Trotzdem ist die Erleichterung bei allen Beteiligten groß, wenn sie die ungarische Grenze erst einmal hinter sich gelassen haben. Bei den einen, weil sie ein neues Leben beginnen können, bei den anderen, weil ihre Hilfsaktion ein strafloses Ende genommen hat.

Abschrecken lassen sich die meisten von den drohenden Sanktionen aber eh nicht. Schon jetzt planen Helfer in den sozialen Netzwerken öffentlichkeitswirksam neue Touren nach Röszke. Für Decken, Jacken und Lebensmittel. Manche auch für Männer, Frauen und Kinder.

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