Frankreich Toter bei Anschlag womöglich Arbeitgeber des Attentäters

Saint-Quentin-Fallavier · Bei einem Anschlag auf ein Werk für Industriegase sind bei Lyon ein Mensch getötet und mehrere Personen verletzt worden. Die Polizei nahm zwei mutmaßliche Täter und die Ehefrau einer der beiden fest. Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem "Terroranschlag".

Frankreich: Toter bei Anschlag in Fabrik in Saint-Quentin-Fallavier
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Ein Toter bei Terroranschlag in Frankreich

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Knapp ein halbes Jahr nach der Attacke auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" ist Frankreich wieder Ziel eines offenbar islamistischen Anschlags geworden. Mindestens ein Angreifer stürmte am Freitag nach Ermittlerangaben eine Fabrik nahe Lyon, ein Mann wurde dabei enthauptet, es gab zwei Leichtverletzte. Ein mutmaßlicher Täter wurde schnell gefasst, er war den Geheimdiensten bekannt. Die Polizei fahndete nach möglichen Komplizen und nahm am Mittag einen zweiten Täter fest.

Bei dem zweiten Mann handele sich um den Fahrer des Wagens, der zum Tatort in die Fabrik für Industriegase gefahren sein soll, berichtete die Regionalzeitung "Dauphiné Libéré" am Freitag ohne Nennung von Quellen.

"Laut den ersten Ermittlungsergebnissen sind mehrere Personen mit einem Fahrzeug auf die Fabrik zugerast, dann gab es eine Explosion", sagte ein Ermittler. Mindestens einer der Angreifer sei auf das Gelände vorgedrungen, sagte ein anderer Ermittler, er habe eine islamistische Fahne in der Hand gehabt und mehrere Gasflaschen in der Fabrik in Saint-Quentin-Fallavier im Südosten von Lyon in die Luft gesprengt.

Am Zaun der Anlage wurde der vom Körper abgetrennte Kopf des Opfers gefunden. Er war laut Ermittlern mit arabischen Schriftzeichen bedeckt. Die Identität des Opfers ist inzwischen geklärt. Es handle sich um den Chef einer örtlichen Transportfirma, verlautete am Freitag aus Sicherheitskreisen. Womöglich war er der Arbeitgeber des Attentäters, sagten Ermittler am Freitag.

Überwachungskameras zeigen Tathergang

Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen laut Ermittlern, wie der später festgenommene Angreifer den Kopf am Zaun anbringt. Anschließend rammt der 35-Jährige mit seinem Fahrzeug auf dem Gelände abgestellte Gasflaschen und löst so eine Explosion aus. Er rennt dann auf ein Gebäude zu und hantiert mit weiteren Gasflaschen - offenbar, um eine weitere Explosion herbeizuführen. Herbeigeeilte Feuerwehrleute können den Mann, der sie mit "Allahu Akbar"- Rufen empfängt, aber überwältigen und festhalten, bis die Polizei kommt.

Mutmaßlicher Täter war Behörden bekannt

Ein Verdächtiger wurde unmittelbar nach dem Anschlag von der Polizei gefasst. Er war dem französischen Inlandsgeheimdienst DGSI bekannt. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Es wurde nach Komplizen gefahndet. Am Mittag wurde ein zweiter Mann festgenommen.

Ziel des Anschlags war eine Fabrik des Unternehmens Air Products, das Gas- und Chemieprodukte für die Industrie herstellt. Die Anlage ist als Industrieeinrichtung eingestuft, in der gefährliche Produkte lagern. Frankreichs Premierminister Manuel Valls ordnete an, "sofort" in der gesamten ostfranzösischen Region Rhône-Alpes die Sicherheitsvorkehrungen für Einrichtungen zu verstärken, die gefährdet sein könnten.

Innenminister Bernard Cazeneuve wollte sich umgehend zum Anschlagsort begeben. Staatschef François Hollande, der sich beim EU-Gipfel in Brüssel aufhielt, wollte nach Angaben des Elysée-Palasts am frühen Nachmittag nach Frankreich zurückkehren. Er bezeichnete den Anschlag als "Terroranschlag". Für 15 Uhr wurde eine Sitzung des Verteidigungsrates im Elysée-Palast anberaumt.

BKA eingeschaltet

Auch die deutschen Behörden haben sich bereits eingeschaltet. Das Bundeskriminalamt (BKA) befinde sich bereits in einem "engen Austausch" mit den französischen Stellen, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag in Berlin mit. "Ob es sich um einen terroristischen Hintergrund handelt oder nicht, ist noch nicht abschließend geklärt", sagte der Sprecher weiter.

Die Bundesregierung hat den Anschlag verurteilt. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach am Freitag in Berlin von einem "abscheulichen Attentat". Im Kurzmitteilungsdienst Twitter schrieb er in einer Mitteilung auf Französisch: "All unsere Solidarität und unser Mitgefühl."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich nach dem Anschlag in Frankreich besorgt. "Das ist etwas, was uns besonders bewegt", sagte de Maizière am Freitag nach der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern in Mainz. Gerade in Fragen der Sicherheit hingen Deuttschland und Frankreich eng zusammen.

Zu den Umständen des Anschlags wollte er sich zunächst nicht näher äußern. De Maizière sagte: "Deutschland ist nach wie vor in einer erstzunehmenden Bedrohungslage." Die Zahl sogenannter Gefährder sei so hoch wie nie.

Ehefrau eines mutmaßlichen Täters festgenommen worden

Nach dem offenbar islamistischen Anschlagist die Ehefrau des mutmaßlichen Täters festgenommen worden. Die Frau wurde am Freitag nahe der ostfranzösischen Stadt Lyon festgenommen, wie aus Justizkreisen verlautete. Damit gab es nach dem Anschlag auf eine Gasfabrik mit einem Toten mindestens drei Festnahmen: Festgenommen wurden der mutmaßliche Attentäter Yassin Salhi, dessen Ehefrau und ein Autofahrer, der nahe des Anschlagsortes aufgefallen war.

Vor ihrer Festnahme hatte die Ehefrau noch dem Radiosender Europe 1 ein Interview gegeben. "Ich weiß nicht, was gerade passiert", sagte sie dabei. Ihr Ehemann sei am Morgen wie jeden Tag zur Arbeit aufgebrochen. "Wir sind normale Muslime (...). Wir haben drei Kinder, ein normales Familienleben."

Frankreich war erst vor knapp einem halben Jahr durch die islamistische Anschlagsserie von Paris erschüttert worden: Im Januar töteten drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo", auf eine Polizistin und auf einen jüdischen Supermarkt im Großraum Paris insgesamt 17 Menschen.

(dpa/AFP)
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