Rede vor Vereinten Nationen New York ist im Papst-Fieber

New York · Die Straßen zum Hauptgebäude der Vereinten Nationen am East River sind gesperrt, als Franziskus im Fiat 511 vorfährt und den Menschen am Straßenrand winkt, die schon Stunden auf ihn gewartet haben. Dann biegt er in das weiträumige Gelände ein und wird auch von den Mitarbeitern der Uno, natürlich vor allem von den Latinos unter ihnen, begeistert empfangen.

 Papst Franziskus ist in New York — das ist allerdings eine Wachsfigur, die in einem offenen Wagen durch die Straßenschluchten der Metropole gefahren wird.

Papst Franziskus ist in New York — das ist allerdings eine Wachsfigur, die in einem offenen Wagen durch die Straßenschluchten der Metropole gefahren wird.

Foto: ap

Er vergisst auch nicht, alle in seiner kurzen Begrüßungsansprache zu erwähnen: die Diplomaten und Politiker, aber auch die Köche und das Reinigungspersonal. "Liebe Freunde", so beginnt er völlig entwaffnend, "einen guten Morgen." Er sieht die multikulturelle Belegschaft der Vereinten Nationen als Mikrokosmos der Welt. Als er endet, rufen viele der UN-Angestellte: "Viva, il papa" — "Es lebe der Papst"

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßt ihn fast ebenso überschwänglich. "Sie sind hier hergekommen. Danke, dass Sie damit Geschichte schreiben", sagt er vor der mit Spannung erwarteten Rede des katholischen Kirchenoberhaupts. Der gibt artig das Lob zurück. Die Bildung der Vereinten Nationen, so der Papst, ist die "angemessene juristische und politische Antwort auf die schrecklichen Gräueltaten nationalistischer oder pseudo-universalistischen Ideologien". Damit meint Franziskus die inzwischen überwundenen Ideologien des Nationalsozialismus und Kommunismus. Er hebt die Erfolge der Vereinten Nationen bei der Entwicklung der Völker und der Bewahrung des Friedens hervor.

Doch dann kommt er schnell zu seinen eigentlichen Anliegen. Und die haben es, wie bei der Rede vor dem US-Kongress, in sich. Da ist von Missbrauch und Zinswucher gegenüber den Entwicklungsländern die Rede, von der "erstickenden Unterwerfung durch Kreditsysteme, die zu Armut, Ausgrenzung und Abhängigkeit" führen. Philosophisch wird es, wenn er — wie in seiner jüngsten Enzyklika "Laudato si" — vom Umweltschutz redet. Da verlässt er die Pfade purer Religiosität und wird politisch.

Er postuliert ein "Recht auf Umwelt", weil der Mensch nicht nur Krone der Schöpfung, sondern vor allem Teil der Schöpfung ist. Als Christ und in Vertretung anderer Religionen weist er natürlich darauf hin, dass das Universum das Werk der Liebe Gottes ist. Das dürfe der Mensch nicht missbrauchen. Diesen Missbrauch sieht er allerorten. Und dieser Missbrauch trifft vor allem die Ärmsten der Armen, die eigentliche Zielgruppe dieses Papstes. Die würden sich, so der Papst in brutaler Offenheit, als Teil der "Wegwerfkultur" sehen. Dahin würde die Ausgrenzung dieser Menschen führen. Und eine Verschmutzung der Erde würde genau dorthin führen.

So verbindet er das christliche Anliegen mit dem der Vereinten Nationen und gibt sowohl der amerikanischen Umweltschutzbewegung wie auch der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung einen entscheidenden Schub. Die amerikanische Presse hat das genau registriert. Es ist schon von "Obamas Papst" die Rede, weil US-Präsident Barack Obama die gleichen Ziele in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit verfolgt. Das ficht aber den Papst nicht an. Die Bekämpfung der Ungerechtigkeit der Welt, der fortschreitenden Umweltverschmutzung hat er nun mal zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt, fast gleichrangig neben der so wichtigen inneren Reform der katholischen Kirche. Deswegen nimmt auch die Würde des Menschen immer wieder eine zentrale Rolle in seiner Rede ein.

Und er definiert sie ganz weltlich — Wohnung, Arbeit und Zugang zu Ressourcen. Er sieht die Menschheit in Gefahr, wenn das missachtet wird — aus Gewinngier oder Machtstreben. Er ist damit ganz nah dran an der Charta der Vereinten Nationen, wie er immer wieder betont. Das ist nicht selbstverständlich für die katholische Kirche, die darin vor allem weltliche Ziele sah. Der Vatikan ist neben Taiwan das prominenteste Nicht-Mitglied der Vereinten Nationen. Und das hatte Gründe. Umso erstaunlicher ist die inhaltliche Nähe zum "gemeinsamen Dach der UN-Charta", wie Franziskus sich ausdrückt.

Er plädiert auch, ganz katholisch, für die "Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens", gerade auch das der Ungeborenen. Aber er macht das nicht mehr zum alleinigen Anliegen der Katholiken, sondern in gleicher Weise wie die Würde der Armen, der Alten, der Kranken, der Behinderten. Das ist sein neuer Ansatz, und der kommt offenbar auch in einer säkularen Welt, wie der der Vereinten Nationen, sehr gut an. So sind die Delegierten bis zu einem gewissen Maß ergriffen, als der Papst sie zum Schluss "im Namen des Allerhöchsten segnet". Er lieferte damit ein eindrucksvolles Zeugnis für sein religiöses und weltliches Anliegen.

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