Gerüchte über Brotkrise in Paris Fünf Minuten bis zum nächsten Baguette

Paris · Die britische Presse berichtet von einer Baguette-Krise in Paris. Denn seit diesem Jahr können die Bäcker Urlaub machen, wann sie wollen. Die Versorgung mit dem beliebten Stangenweißbrot ist aber trotzdem gewährleistet.

Paris ohne Baguette und Rotwein ist für Touristen kaum vorstellbar. Und doch hatten diesen Sommer Reisende aus Großbritannien Schwierigkeiten, das traditionelle Stangenbrot in der französischen Hauptstadt zu finden — zumindest laut britischen Presseberichten. "Pariser durchleben Baguette-Krise" titelte die "Daily Mail". "Das beliebte Bild eines Franzosen mit einem Baguette unter dem Arm auf der Straße könnte bald Szenen wütender Einwohner weichen, die vor geschlossenen Bäckereien stehen", schrieb der "Telegraph" zu einem Foto einer langen Schlange vor einer Boulangerie.

Jahrhundertelang musste in Paris eine Grundversorgung ähnlich wie bei den Apotheken garantiert sein. Die Regelung stammte noch aus der Zeit der französischen Revolution, wo hungrige Pariser einen Bäcker aufhängten, der Brot versteckt haben soll. Die Hauptstadt solle nie mehr Mangel an Baguette leiden, lautete seit 1790 die Devise. Doch der "Vereinfachungsschock", mit dem Präsident François Hollande zur Ankurbelung des Wachstums die Verwaltung entschlacken will, macht auch auf den Bäckern nicht halt. Seit dem Jahreswechsel können die Bäckereien Urlaub machen, wann sie wollen. Vorbei sind die Zeiten, in denen eine Boulangerie ihre Schließzeit bei der Präfektur angeben und den nächsten offenen Laden im Schaufenster nennen musste.

Vorbei auch die Zeiten, in denen die eine Hälfte der rund 1200 Pariser Bäcker im Juli und die andere im August Urlaub machte. Der bei den Franzosen deutlich beliebtere Urlaubsmonat August ist nun für alle offen. "Uns fehlen im August ohnehin die Kunden", sagt der Vorsitzende der Bäckerinnung, Dominique Anract, der Zeitung "Le Figaro". Die Versorung sei vor allem durch die großen Ketten gesichert, die das ganze Jahr über offen bleiben.

Elf von 21 Bäckereien im August geöffnet

"Bei mir im Viertel haben mindestens fünf Bäckereien geöffnet", sagt eine zweifache Mutter, die im 18. Stadtbezirk von Paris wohnt. Kein Notstand also rund um Montmartre. Anders sieht es da schon in Versailles aus, wo in einem Viertel alle vier Bäckereien gleichzeitig Urlaub machen. "Uns bleibt nur noch der Supermarkt", berichtet ein Familienvater. "Doch der ist auch nur fünf Minuten entfernt und das Baguette ist dort ganz gut."

Das Onlineportal buzzfeed machte in Paris den Test: von 21 Bäckereien waren Mitte August elf geöffnet. Eine Minute und 18 Sekunden brauchte die Redaktion durchschnittlich, um ein Baguette zu finden. Wenn es dann auch noch gut schmecken sollte, dauerte die Suche etwa fünf Minuten. Die Qualität ist beim beliebtesten französischen Nahrungsmittel nicht gleichgültig. In Paris vergibt die Stadtverwaltung jedes Jahr den Preis für das beste Baguette. Hunderte Stangenbrote testen Experten dafür jährlich im März. Der Gewinner, dessen Bild durch alle Zeitungen geht, darf dann ein Jahr den Elysée-Palast beliefern. Vor seinem Laden bildet sich regelmäßig eine lange Schlange — und das nicht nur in den Sommerferien.

(RPO)
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