Fünf Tote und 40 Verletzte in London Ermittler vermuten islamistischen Hintergrund

London · Am Jahrestag der Terroranschläge von Brüssel rast im Zentrum Londons ein Autofahrer in Fußgänger und attackiert einen Polizisten. Fünf Menschen sterben, darunter der Angreifer. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Hintergrund aus. In Birmingham soll es bei einer Razzia mehrere Festnahmen gegeben haben.

London: Doppel-Anschlag trifft Regierungsbezirk
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Doppel-Anschlag trifft Londons Regierungsbezirk

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Die Zahl der Toten nach der Terrorattacke in London ist am späten Mittwochabend auf fünf gestiegen. Nach Angaben der Polizei starben bei dem Angriff am Mittwoch mindestens drei Zivilisten, ein Polizist und der Angreifer selbst. Etwa 40 Menschen wurden verletzt.

In der nordenglischen Stadt Birmingham haben Medienberichten zufolge bewaffnete Polizisten eine Wohnung gestürmt. Die Polizei wollte sich zunächst nicht dazu äußern, ob der Einsatz im Zusammenhang mit dem Terroranschlag steht. Die britische Nachrichtenagentur PA zitierte am Donnerstag einen namentlich nicht genannten Zeugen, demzufolge drei Männer festgenommen worden sind. "Der Mann aus London hat hier gelebt", sagte demnach der Zeuge.

Der Täter hatte zunächst Menschen auf der Westminster-Brücke nahe dem Parlament mit einem Auto umgefahren. Anschließend verletzte er einen Polizisten mit einem Messer tödlich, bevor er selbst erschossen wurde. An der Westminister Bridge befindet sich neben dem Parlament, dem Westminster Palace, auch der Big Ben. Ganz in der Nähe liegt auch die Westminister Abbey und das Riesenrad an der Themse, das London Eye.

Die Ermittlungen zum Motiv des Angreifers laufen auf Hochtouren. Islamischer Extremismus werde als Hintergrund vermutet, sagte Mark Rowley von der Anti-Terror-Einheit der Londoner Polizei. Es soll sich um einen Einzeltäter handeln. "Wir gehen davon aus, dass er vom internationalen Terrorismus inspiriert wurde", sagte ein Polizeisprecher am späten Mittwochabend.

Zu der Attacke bekannte sich zunächst niemand. Rowley kündigte an, dass zusätzlich bewaffnete Polizeikräfte in den kommenden Tagen in London eingesetzt würden, um die Öffentlichkeit zu sichern. Hunderte Ermittler arbeiteten an dem Fall.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann vom Londoner King's College sagte, er gehe von einem Anschlag mit islamistischem Hintergrund aus. "Das ist genau die Art von Anschlag, die der IS promotet und anstiften will", sagte Neumann. Ob eine Verbindung zur Terrormiliz IS tatsächlich gegeben sei, bleibe aber abzuwarten.

Bei den Opfern des Anschlags handelt es sich um den Polizisten, einen 48 Jahre alten Familienvater sowie drei Passanten. Am späten Mittwochabend war das Areal um das Parlament in London noch weiträumig abgesperrt. Auch Hubschrauber kreisten noch über dem Regierungsviertel.

Der Anschlag von London wurde auf den Tag genau ein Jahr nach den Terrorattacken von Brüssel verübt, bei denen islamistische Selbstmordattentäter 32 Menschen mit sich in den Tod gerissen und mehr als 300 weitere verletzt hatten. Er hatte aber eher Parallelen zu den Anschlägen von Nizza und Berlin, bei denen die Angreifer ebenfalls Fahrzeuge als Waffe eingesetzt hatten. In London war es allerdings kein Lkw, sondern ein SUV.

Terror auf der Westminster Bridge in London
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London: Auto verletzt Menschen auf Westminster Bridge

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Foto: rtr, AW

Die britische Premierministerin Theresa May kündigte nach einer Sitzung mit ihrem Sicherheitskabinett am Mittwochabend an, dass die Terrorwarnstufe trotz des Anschlags nicht erhöht wird. Den Anschlag bezeichnete sie als "krank und verkommen". Das Leben werde wie gewohnt weitergehen. Nach der aktuellen Warnstufe in Großbritannien gilt ein Anschlag bereits als "sehr wahrscheinlich". Das britische Parlament teilte mit, es werde am Donnerstag wie geplant tagen.

May war während der Attacke auf dem Parlamentsgelände, wurde aber von ihren Leibwächtern rasch in Sicherheit gebracht. Die meisten übrigen Abgeordneten mussten im stundenlang abgeriegelten Parlament ausharren. Ein konservativer Parlamentarier, Tobias Ellwood, leistete dem verletzten Polizisten Erste Hilfe, konnte ihn aber nicht retten.

Unter den Verletzten in London sind mindestens drei französische Schüler, wie das französische Außenministerium in Paris mitteilte. Auch zwei rumänische Staatsbürger sollen verletzt worden sein. Unklar blieb zunächst, ob auch deutsche Staatsangehörige betroffen sind.

Die Polizei rief Zeugen auf, Filmaufnahmen und Fotos an die Ermittler zu senden. Zugleich bat sie Augenzeugen um Zurückhaltung. Sie sollten keine Bilder und Videos von Verletzten in Umlauf bringen.

Beim letzten Terroranschlag in London hatten im Juli 2005 vier Muslime mit britischem Pass in der Londoner U-Bahn und einem Bus Sprengsätze gezündet. 56 Menschen starben, etwa 700 wurden verletzt.

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sprachen den Briten ihr Beileid aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte am späten Abend mit Premierministerin May und sprach ihr und allen Briten ihre Anteilnahme aus, wie Regierungssprecher Steffen Seibert per Twitter mitteilte. Gleich nach dem Anschlag hatte Merkel erklärt, dass Deutschland im Kampf gegen jede Form von Terrorismus "fest und entschlossen an der Seite Großbritanniens" stehe.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte sich "erschüttert über die Anschläge in London". "Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass dieses Attentat in der Nähe des britischen Parlaments ausgeführt wurde und damit auch gezeigt werden sollte, dass man das Herz unserer Demokratien angreifen wollte", sagte er während seines Besuches in Griechenland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte: "In diesen Stunden sind wir Deutsche dem britischen Volk in besonderer Weise verbunden."

Terroranschlag in London: Reaktionen aus aller Welt
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Das sagt die Welt zum Anschlag in London

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Foto: dpa, nie tba

Der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, sagte, die USA gratulierten der britischen Polizei zu ihrem schnellen Handeln. Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte die Tat und bekundete Großbritannien seine Unterstützung im Kampf gegen den Terror.

(oko/ap/dpa/reu/)
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