Australien Geiseldrama schockt Sydney im Vorweihnachtstrubel

Sydney · Sydneys zentraler Martin Place wimmelt in den Wochen vor Weihnachten meist von Passanten auf der Suche nach Geschenken. Diesen Montag ist das anders. Ein beliebtes Café ist zum Schauplatz einer Geiselnahme geworden. Schwerbewaffnete Polizisten und Schaulustige bestimmen das Bild.

Sydney - Bilder der fünf Geiseln, der die Flucht aus dem Café gelingt
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Fünf Geiseln gelingt die Flucht

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Das Lindt-Café des Schweizer Schokoladenherstellers am Martin Place ist eigentlich ein beliebter Einkehrpunkt zum Verschnaufen, um Pralinen zu kaufen und Kaffee zu trinken. Doch am Montag wird das Café plötzlich zum Schauplatz einer Geiselnahme mit womöglich islamistischen Hintergrund. Auf dem sonst belebten Platz sind statt der Einkäufer, Touristen und Angestellten schwer bewaffnete Polizisten zu sehen, während die umliegenden Geschäfte ihre Türen verrammeln.

"Es ist schockierend für alle. Ich kam zur Arbeit und dann sah ich, was passiert ist", sagt die Angestellte Goldie Jamshidi unweit des Cafés, wo am Vormittag ein einzelner Bewaffneter Angestellte und Kunden als Geiseln genommen hat. Diese werden gezwungen, eine oft von Dschihadisten benutzte schwarze Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis ins Fenster zu halten. Sie bildet einen seltsamen Kontrast zu den dort aufgeklebten Worten "Merry Christmas", mit denen Lindt seine Besucher begrüßt.

Während Sondereinsatzkräfte in schwarzen Uniformen rund um das elegante Café in Position gehen, machen Schaulustige aus der Ferne Fotos des Geschehens. Bis zum Abend gelingt es drei Männern und zwei weiblichen Angestellten des Cafés, dem Geiselnehmer zu entkommen. Mit vor Schreck verzerrten Gesichtern rennen die jungen Frauen in die Arme der wartenden Polizisten.

Der Sender Channel Ten berichtet unter Berufung auf zwei Geiseln im Café, der Geiselnehmer habe gesagt, er habe im Café und der Innenstadt vier Bomben platziert. Demnach fordert er zudem, mit Premierminister Tony Abbott zu telefonieren. Dieser spricht im Fernsehen von Hinweisen auf einen politischen Hintergrund. Eine Gruppe islamischer Institutionen verurteilt "uneingeschränkt diesen kriminellen Akt".

Einem Medienbericht zufolge verlangt der Geiselnehmer, zu dem die Polizei Kontakt aufnimmt, nach einer Flagge des Islamischen Staats (IS). Australien beteiligt sich im Irak am Kampf gegen die IS-Miliz. Seit September gilt in dem Land eine erhöhte Terror-Warnstufe. Die Sicherheitsbehörden sind besorgt, dass australische Dschihadisten bei der Rückkehr aus dem Irak oder Syrien als "einsame Wölfe" Anschläge begehen.

"Es ist irgendwie überwältigend, vor allem nach dem Drama vor einigen Monaten wegen des Geredes von einer Enthauptung am Martin Place", sagt die Büroangestellte Rebecca Courtney. Sie spielt damit auf Äußerungen eines australischen Dschihadisten an, der zur Ermordung eines Zufallsopfers in der Öffentlichkeit aufgerufen hatte. Die Regierung in Canberra hat inzwischen Reisen in Konfliktgebiete unter Strafe gestellt und die Pässe von 70 Verdächtigen eingezogen, um sie an der Ausreise zu hindern.

Lange Zeit schien Australien weit weg von islamistischen Bedrohungen zu sein. Doch in Sydney herrscht am Montag Ausnahmezustand. Auch die deutsch-australische Handelskammer in der nahen Spring Street schickt ihre Mitarbeiter gegen 13.00 Uhr nach Hause - nachdem das deutsche Konsulat einen frühzeitigen Feierabend empfohlen hat. Und sogar an der mehr als zwei Kilometer entfernten Technischen Universität ist die Verwaltung alarmiert. In einer internen Mail heißt es, wer nichts Dringendes mehr zu tun habe, möge die Uni verlassen und sich auf den Heimweg begeben.

Am Martin Place selbst herrscht am Nachmittag angespanntes Staunen. Ein paar hundert Schaulustige und Journalisten stehen hinter der Polizeiabsperrung, halten Kameras und ihre Smartphones in den Händen, blicken zum Lindt-Café und warten. Einige Urlauber schießen Selfies und am Übertragungswagen des Rundfunks bereitet sich der Reporter auf den nächsten Einsatz vor. Trotz der Masse an Menschen ist es eigenartig ruhig - normalerweise ist um diese Uhrzeit an dem Verkehrsknotenpunkt der Lärmpegel deutlich höher.

(AFP)
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