Menschenschmuggel Die Geisterschiffe gibt es auch bei Ebay

Athen · Schleuserbanden setzen beim Versuch, Flüchtlinge nach Europa zu bringen, in jüngster Zeit offenbar zunehmend auf große Frachtschiffe, die hunderte Menschen gleichzeitig über das Mittelmeer bringen können. Die schrottreifen Geisterschiffe werden sogar bei Ebay angeboten.

 Hunderte trieben auf der "Blue Sky M" in Richtung Italien.

Hunderte trieben auf der "Blue Sky M" in Richtung Italien.

Foto: dpa, lof

Auf hoher See gehen die Schleuser dann von Bord und überlassen die Menschen auf dem Geisterschiff ihrem Schicksal. Die Behörden sind alarmiert, nach die italienische Küstenwache binnen weniger Tage zwei führerlose Schiffe mit jeweils hunderten Flüchtlingen an Bord im Mittelmeer aus Seenot gerettet hat. Fragen und Antworten.

Was ist die neue Taktik der Schmuggler?

Am 30. Dezember 2014 wurde der Frachter "Blue Sky M" von der italienischen Küstenwache in der Adria gestoppt. Das Schiff mit fast 770 Flüchtlingen an Bord steuerte per Autopilot auf die felsige Ostküste Italiens zu, nachdem sich die Schleuser mit einem Boot abgesetzt hatten. Zwei Tage später wurde die in Sierra Leone registrierte "Ezadeen" von der italienischen Küstenwache entdeckt, als sie führerlos mit 450 Flüchtlingen an Bord vor dem süditalienischen Hafen Crotone trieb.

Woher stammten die beiden Schiffe?

Von der unter moldauischer Flagge fahrenden "Blue Sky M" ist bekannt, dass sie im Oktober im türkischen Hafen Korfez festgemacht hatte und offiziell in den kroatischen Hafen Rijeka wollte. Ob sie weitere Zwischenstopps einlegte, ist noch unklar. Der Frachter "Ezadeen" kam offenbar vom syrischen Hafen Tartus und hatte einen Zwischenstopp in Famagusta im türkischen Nordteil Zyperns eingelegt. Sein offizielles Ziel war Sète in Südfrankreich. Beide Schiffe waren mehr als 40 Jahre alt und wurden von ihren Mannschaften offenbar gezielt in Richtung der italienischen Küste gesteuert.

Was war die bisherige Taktik der Schleuser?

Bisher verwendeten Schleuser vor allem alte Fischerboote, Schlauchboote und andere kleine Schiffe für die Überfahrt über das Mittelmeer. Dabei überließen sie teils den Flüchtlingen selbst das Steuer. Besonders während des inzwischen eingestellten italienischen Marineeinsatzes "Mare Nostrum" setzten die Schleuser auf die Hilfe der Marinekräfte. So setzten die Schmuggler gezielt Hilferufe ab, beschädigten die Boote oder zwangen die Flüchtlinge zum Sprung ins Wasser, um die Marine zum Eingreifen zu zwingen.

Was ist der Vorteil von Geisterschiffen für die Schleuser?

Der Hauptvorteil von Frachtern ist wohl ihre Größe und ihre größere Seetauglichkeit. Anders als kleine Fischerboote können die Frachter nicht nur kurze Strecken wie von der libyschen Küste zur Insel Lampedusa zurücklegen, sondern auch große Entfernungen wie von Syrien nach Italien bewältigen. Zudem hält sie im Gegensatz zu Schlauchbooten auch das raue Winterwetter nicht von der Überfahrt ab. Außerdem können sie bei einer einzigen Fahrt hunderte Flüchtlinge transportieren.

Warum lohnt sich diese Taktik für die Schmuggler?

Alte Frachter von 40 oder 50 Jahren sind laut dem Schifffahrtsexperten David Olsen bereits für weniger als 700.000 Euro zu haben. Bei so alten Schiffen lohne es sich nicht einmal, sie zum Abwracken nach Indien zu bringen. Laut Branchenkennern sind alte Frachter sogar auf der Online-Auktionsplattform Ebay zu haben. Joel Millman von der Internationalen Organisation für Migration sagt, der Bürgerkrieg in Syrien, der monatlich tausende Menschen zum Verlassen des Landes zwingt, schaffe eine konstante Nachfrage von Flüchtlingen, die tausende Euro für eine Überfahrt zu zahlen bereit sind. Mit mehreren hundert Flüchtlingen pro Frachter können die Schleuser ihre Einnahmen optimieren.

Was verdienen die Schleuser?

Nach dem zweiten Fall eines "Geisterschiffes" mit hunderten Flüchtlingen im Mittelmeer hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf den enormen Verdienst verwiesen, den skrupellose Schleuser aus dem Geschäft ziehen. Schleuser pressten den Flüchtlingen pro Kopf zwischen 1000 und 2000 Dollar (830 bis 1650 Euro) für die Überfahrt ab, sagte ein Sprecher der Organisation am Freitag in Genf.

An einem Frachter voller Flüchtlinge wie der am Dienstag führerlos im Meer entdeckten "Blue Sky M" verdienten die Schleuser somit mehr als eine Million Dollar.

(AFP)
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