London erlebt ruhige Nacht Gerichte verurteilen Randalierer im Schnellverfahren

London (RPO). Nach vier Krawall-Nächten in Folge ist es in Großbritannien in der Nacht zum Donnerstag weitgehend ruhig geblieben. Der Polizei gelang es mit einem Großaufgebot offenbar, neue Ausschreitungen in den Städten zu verhindern. Drei Gerichte urteilten die ganze Nacht über festgenommene Randalierer.

Nach Krawallen - Die Bürger von London räumen auf
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Am Mittag sollte in London das Parlament zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über die gewaltsamen Ausschreitungen der vergangenen Tage zu beraten.

Premierminister David Cameron hatte am Mittwoch ein härteres Vorgehen gegen die Randalierer angekündigt und unter anderem mit dem Einsatz von Gummigeschossen und Wasserwerfern gedroht. Wasserwerfer waren bislang nur in Nordirland zum Einsatz gekommen, aber noch nicht auf dem britischen Festland. "Wir brauchten einen Gegenschlag, und jetzt ist ein Gegenschlag im Gange", hatte Cameron nach einem Treffen mit Sicherheitsvertretern gesagt.

Die ganze Nacht über wurden in Gerichten der von den Ausschreitungen betroffenen Städte Urteile gegen festgenommene Randalierer gesprochen. Allein in London sollten drei Gerichte durchgehend geöffnet bleiben. Seit Beginn der Proteste wurden landesweit mehr als 1100 Randalierer festgenommen. Allein in London waren es nach Angaben von Scotland Yard 820, von denen 279 angezeigt wurden.

Am Mittwoch waren die ersten Randalierer verurteilt worden. Zwei Männer seien wegen ihrer Beteiligung an den Unruhen in der Nacht zu Mittwoch zu zehn und 16 Wochen Haft verurteilt worden, teilte die Polizei von Manchester über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Sie begrüßte das rasche Urteil und kündigte an, dass die Gerichte am Abend extra Sitzungen einlegen würden, um weitere Festgenommene zu verurteilten.

Die Polizei von Manchester, der drittgrößten Stadt Großbritanniens, hatte seit Beginn der Unruhen eine harte Linie gegenüber den Plünderern verfolgt. Der stellvertretende Polizeichef Garry Shewan warnte am Mittwoch, die Polizei habe Aufnahmen von hunderten Straftätern und werde alle Verantwortlichen festnehmen. Die Plünderung zahlreicher Geschäfte und die Straßenschlachten mit der Polizei am Dienstag nannte Shewan Akte "sinnlose Gewalt".

Eine Online-Petition in Großbritannien, die fordert, Randalierern die Sozialhilfe zu entziehen, erwies sich unterdessen als so beliebt, dass ihre Webseite zusammenbrach. Bis dahin hatten bereits 78.000 Menschen die Petition unterschrieben. Bei 100.000 Unterschriften sollte sie dem Parlament zur Beratung vorgelegt werden. Ihr Text lautet: "Kein Steuerzahler soll für jene zahlen müssen, die Eigentum zerstört, von der Gemeinde gestohlen und keinen Respekt gegenüber dem Land gezeigt haben, das für sie sorgt."

Vereinzelte Spannungen

Es gab aber weiter vereinzelt Spannungen. Am Mittwochabend löste die Polizei in Eltham im Süden Londons eine Versammlung von rund 150 Männern auf, es kam aber zu keinen Auseinandersetzungen. In Birmingham versammelten sich hunderte Menschen mit Kerzen in der Hand, um dreier Männer zu gedenken, die in der Nacht zuvor offenbar mutwillig überfahren worden waren. Sie hatten nach Angaben von Augenzeugen spontan eine Bürgerwehr gebildet, um Geschäfte vor Plünderungen zu schützen. Der Vater eines der Getöteten sagte, die Gewalt müsse enden "um das Andenken an unsere Söhne zu respektieren".

Bei der Sondersitzung des Parlaments stand zunächst eine Regierungserklärung Camerons auf der Tagesordnung, gefolgt von einer Aussprache. Cameron hatte die Abgeordneten für die Sondersitzung eigens aus dem Urlaub zurückgerufen. Der Premierminister selbst hatte bereits Anfang der Woche seinen Urlaub in Italien abgebrochen, um eine Krisensitzung der Regierung in London zu leiten. Am Donnerstag sollte es eine erneute Krisensitzung des Kabinetts geben.

Islamisten wollen profitieren

Islamisten versuchen in Großbritannien offenbar Vorteile aus den seit Tagen anhaltenden Krawallen zu ziehen. Auf mehreren Internetforen, auf denen zum Heiligen Krieg aufgerufen wird, wird unter anderem gefordert, feindliche Botschaften gegen die britische Regierung zu verbreiten, wie das auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Mittwoch mitteilte. Dienste wie Facebook oder Twitter sollten "infiltriert" werden, um zur Fortsetzung der Randale aufzurufen und damit eine Protestbewegung wie in der arabischen Welt entstehen zu lassen. In einer Botschaft heißt es demnach zudem, der Moment sei günstig, neue Anhänger für den Dschihad zu rekrutieren.

Großbritannien war seit Samstagabend von den schwersten Ausschreitungen seit rund 20 Jahren erschüttert worden. Auslöser war der Tod eines vierfachen Familienvaters bei einem Polizeieinsatz im Londoner Stadtteil Tottenham. Über die tiefer liegenden Gründe für die Gewalt in zahlreichen Städten wird seitdem heftig diskutiert.

Einer Umfrage zufolge halten nur acht Prozent der Briten die strikte Sparpolitik der Regierung für verantwortlich. In der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Donnerstagsausgabe der Zeitung "The Sun" gaben dagegen 42 Prozent der Befragten an, bei den Unruhen handle es sich schlicht um kriminelles Verhalten. 26 Prozent gaben an, die Unruhen gingen auf eine Zunahme von Banden zurück. Lediglich fünf Prozent der Befragten hielten die Arbeitslosigkeit für einen Hauptgrund für die Krawalle, ebensoviele Befragte hielten Rassismus für ursächlich.

(AFP/felt)
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