Obama wühlt Teenager-Tod auf Gespenstische Szenen erschüttern US-Kleinstadt Ferguson

St. Louis · Hässliche Übergriffe von weißen Polizisten auf Schwarze gibt es in den USA immer wieder. Jetzt rüttelt der Tod eines 18-Jährigen die ganze Nation auf. Böse Erinnerungen werden wach.

 Die Szenen sind gespenstisch, jede Nacht brechen die Unruhen in der US-Kleinstadt Ferguson (Missouri) aufs Neue aus.

Die Szenen sind gespenstisch, jede Nacht brechen die Unruhen in der US-Kleinstadt Ferguson (Missouri) aufs Neue aus.

Foto: afp, so/lwc

Die Szenen sind gespenstisch, jede Nacht brechen die Unruhen in der US-Kleinstadt Ferguson (Missouri) aufs Neue aus. Die zumeist weißen Polizisten versprühen Tränengas, die überwiegend schwarzen Demonstranten halten ihre Arme über den Kopf und skandierten: "Hände hoch! Nicht schießen!".

Mit jedem Tag scheint die Lage mehr außer Kontrolle zu geraten. Lange nicht mehr hat ein Todesfall durch Polizeischüsse die Amerikaner derart erschüttert. Wieder einmal spielt die Hautfarbe eine Hauptrolle: Der Polizist, der abdrückte, ist weiß, das 18 Jahre alte Opfer ist schwarz.

Die Ungereimtheiten des Falls sind schockierend: Fünf Tage nach dem Tod vom Michael Brown ist noch immer unklar, wie der Junge genau ums Leben kam. Es wurde nicht einmal bekannt, wie viele Schüsse abgefeuert wurden. Augenzeugen berichteten, dass nach der Tat die mit einem Tuch bedeckte Leiche über Stunden mitten auf der Straße liegengelassen wurde. Und den Namen des Polizeischützen halten die Behörden hartnäckig unter Verschluss.

Laut Behörden wurde der Polizist von Brown im Zuge einer Auseinandersetzung in ein Polizeiauto gestoßen. Dort habe sich der dann zumindest der erste Schuss gelöst.

Augenzeugen sehen das etwas anders: Dorian Johnson (22), der mit dem Opfer am Samstag über die Straße schlenderte, sagte, der Beamte habe Brown an der Kehle gepackt. "Get the fuck on the sidewalk", habe der Polizist geschrien - Geh verdammt noch mal auf den Bürgersteig. Brown sei darauf weggerannt - mit erhobenen Händen. Dann seien die Schüsse gefallen.

Barack Obama wühlt das Geschehen auf

Selbst Barack Obama wühlt das auf. Der Präsident äußerte sich von seinem Urlaubsort am Atlantik. "Seine Eltern werden Michael nie mehr in ihren Armen halten." Damit wird der Fall endgültig zur nationalen Angelegenheit. "Jetzt ist Zeit zur Heilung und Zeit zum Frieden", sagte Obama. Doch Obama ließ es nicht bei warmen Worten. Demonstrativ kündigte die Bundespolizei FBI eigene Ermittlungen an. Das sieht ein wenig danach aus, als traue das FBI den lokalen Behörden nicht ganz über den Weg.

Dafür gibt es auch durchaus Gründe: 67 Prozent der Bevölkerung in Ferguson sind schwarz, aber 94 Prozent der Polizisten weiß. Auch das heizt den Fall an.

Amnesty International fordert gründliche Untersuchung

Ähnlich wie Obama äußerte die Mennschenrechtsorganisation Amnesty International. Es bedürfe einer gründliche Untersuchung, kein weiteres Aufheizen. Jeder Polizist, der das Gesetz gebrochen habe, müsse zur Verantwortung gezogen werden. "Exzessive Gewalt zur Auflösung von Protesten ist nicht hinzunehmen."

Zwei Journalisten, die über die Proteste berichteten, wurden vorübergehend festgenommen. Einer der beiden sagten, Polizisten hätten ihn gewaltsam gegen einen Getränkeautomaten geschleudert, als sie versuchten, das Lokal zu räumen. "Der Gedanke, dass wir eine Bedrohung waren, nur weil wir nicht schnell genug unsere Taschen gepackt haben, ist lächerlich", sagte einer der Journalisten, Ryan Reilly von der "Huffington Post".

Böse Erinnerungen werden wach. Viele Amerikaner fühlen sich an Trayvon Martin erinnert, den Teenager, der im Februar 2012 in Florida starb, nachdem ein freiwilliger "Hilfssheriff" eines Wachdienstes ihn verfolgt hatte und die Schüsse abgab. Das Opfer war 17 Jahre alt und schwarz, der Todesschütze George Zimmermann ein Latino. Auch damals nahm Obama Stellung: "Das hätte mein Sohn sein können."

Es gibt eine weitere Paraelle zwischen den Fällen: Browns Eltern haben Benjamin Crump als Anwalt gewählt - den Mann, der damals auch für Trayvon Martins Eltern vor Gericht ging. Der 42-Jährige aus Florida hat sich bereits durch etliche Bürgerrechtsfälle einen Namen gemacht. Er verstand es vor zwei Jahren, den Tod des Teenagers in Florida auch in die Medien zu tragen. Das Verfahren wurde im ganzen Land mit höchster Spannung verfolgt - doch Anwalt Crump verlor, der Todesschütze wurde freigesprochen.

Auch im Fall Brown ging der Anwalt rasch an die Öffentlichkeit, betonte den Schmerz der Eltern. "Michael Browns Eltern gingen davon aus, ihn aufs College zu schicken und seine Zukunft zu feiern", meinte er bei einer Pressekonferenz. "Stattdessen müssen sie jetzt sein Begräbnis organisieren."

(dpa)
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