Höchste Terrorwarnstufe ausgerufen Großfandung nach Attentaten in Frankreich

Paris/New York · In Frankreich wird mit Hochdruck nach dem Attentäter gefahndet, der vier Menschen an einer jüdischen Schule in Toulouse erschossen hat. Es ist der dritte Anschlag in nur einer Woche. Präsident Sarkozy löste die höchste Terror-Alarmstufe aus.

Trauermarsch für die getöteten jüdischen Kinder in Frankreich
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Trauermarsch für die getöteten jüdischen Kinder in Frankreich

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Das Land steht unter Schock.

Die Anschläge auf eine jüdische Schule und auf Soldaten mit insgesamt sieben Toten haben in Frankreich eine Großfahndung ausgelöst. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf ein islamistisches oder rechtsextremistisches Motiv, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf eine nicht namentliche genannte Quelle in den Reihen der Ermittler berichtete. Jedoch würden auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen.

Ein Unbekannter hatte am Montag vier Menschen an einer jüdischen Schule in Toulouse erschossen. Die Schüsse kamen aus derselben Waffe, mit der in der vergangenen Woche drei Soldaten getötet und einer schwer verletzt worden waren - ebenfalls in Toulouse und in der etwa 50 Kilometer entfernten Gemeinde Montauban. Drei der Soldaten hatten Wurzeln in Nordafrika, einer war ein Schwarzer. Jedes Mal beschrieben Zeugen den Täter als einen schwarz gekleideten Mann, der auf einem Motorroller geflüchtet war.

Parteien setzen Präsidentschaftswahlkampf aus

Am Montagabend trauert das unter Schock stehende Land um die vier Opfer von Toulouse. Am Dienstag soll ihnen bei einer Schweigeminute um 11.00 Uhr in allen Schulen gedacht werden. Mehr als 1000 Menschen kamen an Montagabend zu einer Feier in eine Pariser Synagoge. Unter den Teilnehmern waren Staatspräsident Nicolas Sarkozy, sein sozialistischer Herausforderer bei den Präsidentenwahlen, François Hollande, sowie mehrere Minister.

Eine Demonstration von mehreren tausend Trauernden, die der Verband jüdischer Studenten in Frankreich organisiert hatte, führte vom Platz der Republik zur Bastille. Viele der meist jungen Teilnehmer schwenkten zum Zeichen der Einheit französischen Fahnen, berichteten Medien am späten Abend. Wegen des Anschlags unterbrachen die Parteien vorübergehend den Präsidentschaftswahlkampf. Sarkozy reiste noch am Vormittag nach Toulouse. Auch Hollande sagte alle Parteitermine ab und informierte sich am Nachmittag am Tatort.

Sarkozy sprach von einer nationalen Tragödie. Nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts im Élysée am Abend verhängte er die höchste Terror-Alarmstufe für die Region. Alle jüdischen und muslimischen Einrichtungen werden nun besonders gesichert. Nach Angaben von Sarkozy handelt es sich beim Täter um denselben, der in den Tagen zuvor zwei Anschläge auf Soldaten verübt hatte.

"Er lässt seinen Opfern keine Chance"

"Jedes Mal wenn dieser Mann in Aktion tritt, handelt er, um zu töten. Er lässt seinen Opfern keine Chance", betonte Sarkozy. Ein antisemitisches Motiv sei wahrscheinlich, der Mann sei gefährlich und müsse schnellstens gefasst werden. "Diese schreckliche Tat kann nicht ungesühnt bleiben. Alle, wirklich alle verfügbaren Mittel werden eingesetzt werden, um diesen Kriminellen daran zu hindern, weiter Schaden anzurichten."

Vor Beginn des Unterrichts hatte der Täter am Montagmorgen vor der Ozar-Hatorah-Schule auf einen 30-jähriger Religionslehrer und seine beiden Kinder im Alter von drei und sechs Jahren geschossen, wie Staatsanwalt Michel Valet mitteilte. Das dritte Opfer war nach den Angaben zehn Jahre alt. Ein 17-Jähriger wurde schwer verletzt.

Mit derselben großkalibrigen Waffe waren schon am 11. und 15. März zwei Anschläge auf Soldaten in Toulouse und in Montauban verübt worden. Der Täter habe auch denselben, als gestohlen gemeldeten PS-starken Motorroller für seine Flucht genutzt, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittler. Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Terrorismus.

Die Tat gilt als einer der mörderischsten Anschläge auf eine jüdische Einrichtung seit drei Jahrzehnten, als ein Überfallkommando im jüdischen Viertel in Paris in der Rue des Rosiers in einem Restaurant sechs Menschen tötete. Die Anschläge bringen das Thema Innere Sicherheit im laufenden Präsidentenwahlkampf nach oben auf die Tagesordnung. Sarkozy hatte zuletzt rechtspopulistische Töne angeschlagen und vor zu vielen Ausländern im Land gewarnt.

Entsetzen in der Öffentlichkeit

Bei der Tat am Montagmorgen kurz vor Unterrichtsbeginn schoss der Unbekannte nach unbestätigten Berichten aus zwei Waffen um sich. Er eröffnete in dem Wohnviertel unvermittelt das Feuer auf eine Gruppe von Eltern und Schülern. Einige Kinder verfolgte er bis aufs Schulgelände. Innenminister Claude Guéant verurteilte die Tat nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP als antisemitisch. Er will die Ermittlungen zunächst vor Ort koordinieren.

In der Region geht nun die Angst vor weiteren Anschlägen um. Der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen, verwies im TV-Nachrichtensender BFM auf die Kaltblütigkeit des Täters. "Wir sind extrem beunruhigt", sagte er. Vertreter jüdischer Gemeinden und der jüdische Weltkongress äußerten sich schockiert. Das israelische Außenministerium sprach von Entsetzen über die Nachrichten.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Außenminister Guido Westerwelle verurteilten den Anschlag. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am späten Montagabend mit, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Sarkozy ihr Mitgefühl nach dem Anschlag von Toulouse und den Soldatenmorden übermittelt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat scharf und sprach den Familien der Opfer und der jüdische Gemeinschaft sein tiefes Beileid aus.

(AFP)
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