Bericht der Internationalen Arbeitorganisation Zwangsarbeit ist ein Milliardengeschäft

Offiziell ist Sklaverei längst abgeschafft. Doch bis heute müssen Millionen Zwangsarbeit verrichten. Unerkannt auf dem Bau, in Frondiensten als Hauspersonal oder - am lukrativsten - im Sexgewerbe. Mit Zwangsarbeit lassen sich Milliarden verdienen. Auch in Deutschland.

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Foto: AFP

Sklaverei hat einen modernen Nachfolger. Er nennt sich Zwangsarbeit. Vor allem in Asien werden Menschen benutzt, gezwungen und ausgebeutet. Aber auch in Europa gibt es Fälle. Drei Beispiele.

Verschleppt und zur Sexarbeit gezwungen Wie im Fall des Mädchens Elena, der schon einige Jahre zurückliegt, aber im Zusammenhang mit einer Konferenz gegen Menschenhandel berühmt wurde. Im Alter von 18 fiel die junge Frau in Moldawien organisierten Banden in die Hände. Ihre Reise endete in einem schmutzigen Zimmer in London, wo sie täglich bis zu 40 Freier bedienen musste.

Sklavenlager in London Im November 2011 wurde ein anderer monströser Fall aus London bekannt. Die Polizei befreite 24 Männer, die auf einem Campingplatz wie Sklaven in Pferdeboxen oder Hundezwingern gehalten und zur Arbeit gezwungen worden waren. Die Menschenhändler hatten sich die Notlage der Männer zu Nutze gemacht und ihnen als Arbeitsvermittler ein gutes Auskommen versprochen. Es handelte sich um Obdachlose, Alkoholiker oder Osteuropäer, die sich wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht verständigen konnten.

Als Putzfrauen festgehalten 2010 entdeckte die Polizei in Malaysia 71 Frauen, die in einer Villa festgehalten wurden. Sie erklärten, sie seien mindestens zwei Jahre lang dazu gezwungen worden, ohne Vergütung als Putzhilfen zu arbeiten, oft viele Stunden am Tag. Sie waren auf einen Schwindler hereingefallen, der in Indonesien "Gastarbeiterinnen" für anwarb. Dann wurden ihnen die Pässe weggenommen.

Dass die Menschheit diesen Schandfleck nicht los wird, hängt vor allem damit zusammen, dass sich damit Unmengen Geld verdienen lassen. Das globale Ausmaß des Geschäfts mit der Ware Mensch hat am Dienstag ein Bericht (PDF) der an die UN angegliederten Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) offengelegt.

Demnach werden durch Zwangsarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung weltweit Profite in Höhe von jährlich 150 Milliarden Dollar (110 Milliarden Euro) erzielt. Fast zwei Drittel dieser illegalen Gewinne - nämlich 99 Milliarden Dollar - entfielen auf die Zwangsprostitution, heißt es in der Studie.

Am stärksten sei Zwangsarbeit - bei einem zugleich sehr hohen Anteil von sexueller Ausbeutung - in Asien verbreitet, gefolgt von entwickelten Volkswirtschaften einschließlich der EU, stellt der am Dienstag in Genf veröffentlichte Bericht fest.

Betroffen seien weltweit 21 Millionen Männer, Frauen und Kinder, erklärte ILO-Generaldirektor Guy Ryder. Zwangsarbeit sei zwar "fundamental böse". Aber eben auch "enorm profitabel". Er und seine Organisation kämpfen deswegen vor allem gegen sozioökonomische Strukturen an, die Zwangsarbeit ermöglichen.

Dazu zählt Armut. Sie versetzt Menschen oftmals erst in die Notlage, die sie in die Hände dubioser Organisationen spült. Die Ausbeutung von Menschen, die kaum eine andere Möglichkeit haben, als in derartigen Situationen zu arbeiten, bezeichnet die ILO als "moderne Sklaverei".

In einem auf Youtube veröffentlichten Comic-Video illustriert die Organisation eindrücklich, mit welch perfiden Methoden Menschen in die Fänge der Zwangsarbeit geraten. Um Geld zu verdienen, unterschreiben sie einen Vertrag, begeben sich in Abhängigkeiten und werden skrupellos ausgebeutet.

Aber auch die andere Seite der Medaille interessiert die Organisation: Denn es gibt auch einen Markt für Sklavendienste. Dagegen helfen könnte aus Sicht der ILO unter anderem, dass große Unternehmen Verantwortung für die Geschäftsmethoden von Zulieferern übernähmen.

34 Milliarden Dollar werden laut ILO im Bauwesen, in Fabriken, dem Bergbau und bei deren Zulieferern mit Zwangsarbeit erwirtschaftet.

Neun Milliarden Dollar entfielen auf die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei; acht Milliarden Dollar auf private Haushalte, die ihren Beschäftigten gar keinen oder einen viel zu geringen Lohn zahlten.

Am meisten Profit in den entwickelten Staaten

Am profitabelsten ist die Ausbeutung von Zwangsarbeit laut Studie mit 34 400 Dollar pro Opfer und Jahr in den entwickelten Volkswirtschaften einschließlich der EU-Staaten. Im Nahen Osten seien es 15 000, in Asien 5000 und in Afrika 3900 Dollar.

Die weitaus größten solcher kriminell erwirtschafteten Profite werden laut ILO durch zwangsweise sexuelle Ausbeutung gescheffelt. Statistisch entfalle hier global auf jedes Opfer pro Jahr ein Gewinn von 21 800 Dollar, während es in der Industrie 4800, der Landwirtschaft 2500 und bei der Hauswirtschaft 2300 Dollar seien.

Mehr Frauen als Männer sind betroffen

"Wir müssen der Tatsache ins Gesicht sehen, dass mehr als die Hälfte aller Opfer von Zwangsarbeit Frauen und Mädchen sind, vor allem in der kommerziellen sexuellen Ausbeutung", sagte ILO-Chef Ryder.

Während Regierungen und Strafverfolgungsbehörden ihnen stärker helfen müssten, bräuchten auch Männer und Jungen gezielte Unterstützung. Es sei es auch nötig, die Rechte von Migranten zu stärken, die auf der Suche nach bezahlter Beschäftigung Grenzen überschritten und zu Zwangsarbeitern würden.

(dpa)
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