Frage des Wiederaufbaus nach dem Tsunami Japanische Kleinstädte trifft es am härtesten

Kesennuma (RPO). Nach dem massiven Erdbeben und dem Tsunami sieht sich Japan mit einem Jahre dauernden Wiederaufbau konfrontiert. Schätzungen zufolge haben 18.000 Menschen durch die Naturkatastrophe ihr Leben verloren, Hunderttausende weitere haben kein Zuhause mehr. Ganze Dörfer wurden zerstört .

Japaner vor den Trümmern ihrer Existenz
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Toshio Onodera hat sein Haus nahe des Shikaori an der japanischen Nordostküste selbst gebaut. Er befestigte die Fliesen auf der Terrasse mit Zement und brachte eine elfenbeinfarbene Verkleidung an den äußeren Wänden des Gebäudes an. Knapp 30 Jahre wohnte er mit seinen Eltern und seiner Großmutter in dem Haus, bis es am 11. März plötzlich nicht mehr stand - eine drei Stockwerke hohe Tsunami-Welle war angerollt und hatte sein Zuhause zerstört. Seine gesamte Nachbarschaft war so gut wie ausgelöscht.

Heute schläft Onodera auf dem Boden einer überfüllten Schulturnhalle, neben seiner 83 Jahre alten Mutter und hunderten seiner Nachbarn. Der 57-jährige Zimmermann ist einer der jüngsten Bewohner der Turnhalle. Sollte seine Heimatstadt Kesennuma aus den Trümmern des Tsunamis auferstehen, wird der demografische Wandel ihr Probleme bereiten, wie er sagt. "Dies ist eine Stadt alter Menschen", sagt er, auf dem Fundament seines einstigen Hauses stehend. "Junge Leute wollen einfach nicht mehr in Kesennuma wohnen."

Hoher Anteil älterer Einwohner

Keiner seiner alten Nachbarn werde hierher zurückkehren, sagt Onodera, der auf die Trümmer eines Hauses nach dem anderen zeigt, deren Bewohner entweder tot sind oder vermisst werden. Er selbst werde in Kesennuma bleiben, aber weiter landeinwärts ziehen, kündigt er an.

Ortschaften wie Kesennuma hat die Naturkatastrophe besonders hart getroffen, schließlich leiden sie seit Jahren unter einer wirtschaftlichen Rezession, der Abwanderung junger Menschen in die Großstädte des Landes sowie einer alternden Bevölkerung. "Die Zukunftsaussichten für diese Gemeinden sehen wegen des hohen Prozentanteils alter Menschen ziemlich düster aus", sagt der Direktor für Asien-Studien an der Temple Universität in Tokio, Jeff Kingston.

Der Tsunami hat in Kesennuma tausende Familien auseinandergerissen und Mehrgenerationenhäuser wie das von Onodera zerstört. "In Orten wie diesem (Kesennuma) sollen alte Menschen Enkelkinder erziehen und Tee trinken", sagt Kingston. "Und plötzlich ist das alles weg. Wo sollen sie die geistigen und materiellen Ressourcen hernehmen, um zurückzukommen?"

Japan hat eine der weltweit am schnellsten alternden Bevölkerungen; 23,2 Prozent der Einwohner sind 65 Jahre oder älter. Der Aufstieg Japans zur Wirtschaftsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg hatte zur Folge, dass immer mehr junge Menschen dem Kleinstadtleben entflohen, auf der Suche nach Bürojobs in Großstädten. Der gleiche Effekt war in den 90er Jahren zu beobachten, als aufgrund der rückläufigen Wirtschaft Fischfabriken entweder schlossen oder ihre Arbeiter entließen. Wieder zog es junge Menschen in die Großstadt.

"Ich weiß nicht, ob wir wieder aufbauen werden"

Trotz allem sei der Tsunami unter den Bewohnern seines Pflegeheims bis heute kein Gesprächsthema, sagt Yoshida "Sie reden nicht darüber und wir fragen nicht danach." Tamiko Onodera, die Mutter von Zimmermann Toshio, hat ihr Leben in Kesennuma verbracht. Sie arbeitete in einer Fischfabrik, während ihr Mann als Bauarbeiter tätig war. Zusammen verdienten sie genug, um sich ein paar Grundstücke in der Stadt zu kaufen.

Sie und ihr Sohn hätten das gemeinsame Haus sofort verlassen, nachdem das Erdbeben der Stärke 9,0 die Gegend erschüttert hatte, erzählt sie. Sie seien weg gefahren; das fremd klingende, zischende Geräusch der anrollenden Tsunami-Welle sei nur einige hundert Meter hinter ihnen gewesen.

Die Welt von Tamiko Onodera besteht heute aus einem kleinen Platz in der Turnhalle, wo zwei Strohmatratzen liegen und vier Klappstühle stehen, auf denen gespendete Waren gestapelt sind. Sie habe Angst, überhaupt an den Ort ihres zerstörten Hauses zurückzukehren, erklärt Onodera. "Ich will nicht umziehen", sagt die Frau, deren kleine Augen in ihrem von Falten gezeichneten Gesicht fast versteckt sind. "Dies ist schon immer (der Ort gewesen), wo ich gelebt habe. Aber ich habe noch nichts entschieden", sagt sie. "Ich weiß nicht, ob wir wieder aufbauen werden."

(apd/das)
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