Frisch vom Bauern In Paris gibt es jetzt Bio-Gemüse aus dem Automaten

Paris · Einst galten sie als Inbegriff der Moderne: Automatenrestaurants. Der 1897 in Berlin gestartete Trend war aber nur von kurzer Dauer. Ein Anbieter in Paris greift die Idee nun wieder auf - und das in zeitgemäßer Form: Verkauft wird kein Fast-Food, sondern Bio-Gemüse.

Paris - Bio-Gemüse aus dem Schließfach
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Paris - Bio-Gemüse aus dem Schließfach

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Joseph Petit hat in Paris zwei Geschäfte. In beiden verkauft er Bio-Produkte aus dem Umland. Personal braucht er dafür aber keines. Ob frische Erdbeeren, Karotten oder Eier - bei Petit gibt es alles aus dem Automaten. Vorbild für die beiden Filialen von "Au Bout du Champ" ("Am Ende des Feldes") ist eine mehr als hundert Jahre alte Idee aus Berlin: Wie in den damals für kurze Zeit sehr populären Automatenrestaurants präsentiert Petit seine Ware in kleinen Metallboxen. Der Mix aus altem Charme und bewusster Ernährung kommt offenbar gut an.

Gerade in einer Metropole wie Paris ist es oft schwer, frisches Obst und Gemüse aus regionaler Erzeugung zu bekommen. Hier will Petit mit seinen Geschäften eine Lücke schließen. "Unsere Landwirte gehören zu den besten der Welt", sagt der 31-Jährige über die französischen Bauern. Dass trotzdem so viele Produkte aus dem Ausland auf dem Markt sind, ist für ihn nicht nachvollziehbar. "Sie sind nicht unbedingt die besten, sie sind nicht unbedingt frisch und wir wissen nicht wirklich, von wem sie kommen."

Felder dürfen nicht mehr als 100 Kilometer entfernt liegen

Petit pflegt persönlichen Kontakt seinen Lieferanten. Bei welchen Kleinbauern er einkauft, hängt stets vom saisonalen Angebot ab. Die Produktpalette umfasst neben Obst, Gemüse und Eiern auch Kräuter, Pilze und frische Säfte. Zusammengestellt wird das Angebot aus den Erzeugnissen von in der Regel etwa einem halben Dutzend Partnern.
Eine Grundregel lautet dabei, dass keiner der Höfe und keines der Felder mehr als hundert Kilometer von Paris entfernt sein darf. Schließlich muss die Ware täglich frisch in die Stadt gebracht werden.

Die Geschäfte selbst sehen ein bisschen so aus wie Räume voller Schließfächer. Die einzelnen Türchen sind durchsichtig, so dass die Kunden die Ware stets erst genau ansehen können. Wenn sie am Automaten dann bezahlen, lassen sich die jeweils ausgewählten Fächer öffnen.

Dass die Idee so gut funktioniere, habe viel mit seinen Preisen zu tun, sagt Petit. Da er für den Verkauf kein Personal benötigt, kann er die hochwertigen Bio-Produkte vergleichsweise günstig anbieten. Und die Geschäfte sind an allen sieben Wochentagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet.

Die fast durchgehende Verfügbarkeit wissen viele Kunden zu schätzen. "Ein Vorteil für mich ist der, dass ich hier oft vorbeikomme", sagt die 28-jährige Marine Clappier. "Wenn mir in meinem Kühlschrank etwas fehlt, komme ich lieber hierhin, als irgendwo einen Burger oder eine Pizza zu kaufen." Besonders wichtig sei für sie, dass es sich in dem Automatenladen um stets frische und zugleich regionale Produkte handele.

"Unsere Erdbeeren werden am Morgen gepflückt und stehen dann schon am selben Nachmittag in der Verkaufsbox, die Leute kaufen die Erdbeeren also praktisch genau so, wie wir sie vom Bauern bekommen haben", sagt Petit. Diese tägliche Frische sei für die meisten Kunden das wichtigste Argument. Für viele sei es geradezu eine "Wiederentdeckung des Geschmacks". Insgesamt habe er in beiden Geschäften täglich etwa einhundert Kunden, an Wochenenden seien es oft doppelt so viele.

Schottland hat auch Metallboxen

Eine ähnliche Strategie wie Petit verfolgt auch der schottische Kartoffelbauer Peter Grewar. Auf seiner Farm in der Grafschaft Perthshire erhielt er früher ständig Besuch von Leuten, die ihre Kartoffeln gerne direkt bei ihm kaufen wollten. Seinem Nachbarn erging es ähnlich. Also boten sie ihre Produkte in aufgestellten Metallboxen an, die der Kollege ursprünglich zum Frischhalten von Eiern genutzt hatte.

Auch in diesem Fall wurden die Verkaufsautomaten gut angenommen. Bald schlossen sich weitere Bauern aus der Umgebung an und erweiterten damit zugleich das Angebot. In den Automaten wurden nun auch etwa Blumenkohl, Brokkoli und Beeren verkauft. Einzige Voraussetzung: "Es müssen schottische Produkte sein und sie müssen saisonal sein", sagt Grewar. Gemeinsam haben die Landwirte inzwischen an vier Standorten Automaten aufgestellt, sogar in einem Einkaufszentrum in der Großstadt Dundee.

Auch in Paris könnte die Zahl der Automatengeschäfte für Bio-Produkte bald steigen. Neben seinen beiden Filialen in Levallois und Clichy will der französische Jungunternehmer Petit noch in diesem Jahr zwei weitere Standorte eröffnen, 2016 sollen dann noch fünf weitere hinzukommen.

Doch auch wenn er expandiert, will er seinen Grundsätzen treu bleiben - so schwer dies in manchen Fällen sein mag. "Man muss vielen Leuten überhaupt erst wieder klarmachen, dass es Salat von Oktober bis April einfach nicht gibt, und dass dies vollkommen normal ist", sagt Petit. Sollte ihm das gelingen, könnte auch das alte Prinzip der Berliner Automaten wieder zunehmende Verbreitung finden - wenn auch in stark abgewandelter Form.

(ap)
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