Online-Umfrage sorgt für Aufsehen Juden sehen wachsenden Antisemitismus

Wien · Es ist ein Stimmungsbild, das unmittelbar vor dem 75. Jahrestag der Pogrome von 1938 manchen Schatten wirft: Juden in Europa machen sich wieder mehr Sorgen um ihre Sicherheit.

Jahresempfang der Jüdischen Gemeinde 2013
6 Bilder

Jahresempfang der Jüdischen Gemeinde 2013

6 Bilder

Eine deutliche Mehrheit der in Europa lebenden Juden sieht wachsende antisemitische Tendenzen. Dies ist das Ergebnis einer am Freitag in Wien vorgestellten Online-Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte (FRA). Drei von vier Befragten sagten, das Internet und soziale Foren seien die häufigste Plattform für antisemitische Kommentare. Deutlich dahinter rangieren Demonstrationen (42 Prozent)
und Sportereignisse (14 Prozent).

Es ist laut Agentur der erste, nicht-repräsentative Versuch eines Überblicks zur Situation der Juden in Deutschland, Frankreich, Italien, Ungarn, Schweden, Großbritannien, Belgien und Lettland. Es wurden fast 6000 Menschen befragt.

Jeder Vierte Jude in Deutschland hat an Auswanderung gedacht

Die Sorgen und Ängste der etwa 120.000 in Deutschland lebenden Juden sind laut Umfrage zwar nicht so groß wie zum Beispiel in Frankreich und Ungarn. Allerdings habe auch in der Bundesrepublik jeder vierte der Befragten schon einmal an Auswanderung gedacht, weil er sich nicht sicher fühlte. In Frankreich - dort leben europaweit mit 490.000 die meisten Juden - und Ungarn waren es sogar fast die Hälfte der Befragten. Vergleichsweise sicher fühlen sich Juden in Großbritannien (295.000) und Schweden.

Jeder fünfte der Umfrage-Teilnehmer hat in den vergangenen zwölf Monaten einen antijüdischen Vorfall in Form von Beleidigung oder gar Angriffen erlebt. Insgesamt würden solche Bedrohungen, verbale oder tätliche Angriffe von den Betroffenen oft nicht gemeldet, teilte die FRA weiter mit. Häufigster Grund für diese Haltung sei der mangelnde Glaube, dass sich durch das Einschalten der Polizei etwas ändere.
Laut FRA ist das spezifische Sammeln von Daten über antisemitische Vorfälle in vielen Ländern unzureichend organisiert, wodurch Übergriffe, Attacken und Beleidigungen schlecht erfasst würden.

Als großes Problem wird der Antisemitismus von den Betroffenen vor allem in Ungarn und Frankreich wahrgenommen. 90 Prozent der in Ungarn lebenden Juden und 85 Prozent der Juden in Frankreich sehen hier eine ausgeprägt antijüdische Haltung - mit zunehmender Tendenz. In Deutschland beträgt dieser Wert 61 Prozent. Unter den antisemitischen Kommentaren sei das Leugnen oder Relativieren des Holocausts weit verbreitet. Außerdem werde den Juden eine "naziähnliche" Haltung gegenüber den Palästinensern vorgeworfen.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort