Vater entführt möglichen Mörder seiner Tochter Kalinkas Tod nach 30 Jahren vor Gericht

Paris (RPO). Der Tod der damals 14 Jahre alten Kalinka ist fast 30 Jahre her - jetzt steht ihr mutmaßlicher Mörder vor Gericht. Fast drei Jahrzehnte nach dem Tod des Mädchens hat am Dienstag vor einem Pariser Schwurgericht der Prozess gegen den deutschen Arzt Dieter K. begonnen.

Kalinka-Prozess: Deutscher Arzt nach Entführung vor Gericht
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Kalinka-Prozess: Deutscher Arzt nach Entführung vor Gericht

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Kalinkas Vater André Bamberski beschuldigt K., das Mädchen vergewaltigt und mit einer Spritze getötet zu haben. Er ließ Kalinkas Stiefvater vor eineinhalb Jahren nach Frankreich entführen, damit dem Deutschen dort der Prozess gemacht wird.

Vater und Stiefvater inzwischen beide über 70 Jahre alt

Die beiden inzwischen über 70 Jahre alten Männer würdigten sich beim Prozessauftakt keines Blickes. K., der bei seiner Entführung verletzt worden war, stützte sich beim Gang in den Gerichtssaal auf eine Krücke. Sein Mandant sei "geschwächt", sagte sein Anwalt Philippe Ohayon. Er beantragte die Einstellung des Prozesses, da die deutsche Justiz keine Beweise für eine Schuld des 75-Jährigen gefunden habe.

Laut einem europäischen Rechtsgrundsatz kann ein Angeklagter nicht zwei Mal wegen desselben Verbrechens verurteilt werden, wenn es keine neuen Fakten gibt. "Dieser Prozess kann nur stattfinden, wenn sämtliche europäischen Verträge verbrannt werden", erklärte die Verteidigung.

"Die Aussicht, verurteilt zu werden, ist unerträglich für Herrn K., aber dieses Mal kommt er nicht davon", kündigte einer der Anwälte Bamberskis an. Der 73-Jährige, der bei seiner Ankunft im Justizpalast sichtlich bewegt war und vor Aufregung zitterte, äußerte sich nicht selbst. "Heute wird das wahr, was er seit Jahren wollte", sagte sein Anwalt François Gibault.

Kardiologe spritzte Stieftochter Eisenpräparat

Bamberski hatte fast 30 Jahre lang dafür gekämpft, dass K. vor Gericht kommt. Der Franzose sieht den früheren Kardiologen als Mörder seiner Tochter, die den Sommer 1982 bei ihrer Mutter und deren zweitem Mann Dieter K. am Bodensee verbrachte. Der Kardiologe führte an, er habe dem Mädchen ein Eisenpräparat gespritzt, damit es schneller braun werde.

Fünf Jahre nach Kalinkas ungeklärtem Tod stellte das Oberlandesgericht München das Ermittlungsverfahren gegen K. in letzter Instanz ein, ohne dass es zu einer Anklage kam. Jedoch bekam der Arzt in einem späteren Missbrauchsfall in den 90er Jahren zwei Jahre Haft auf Bewährung auferlegt: Das Landgericht Kempten befand ihn für schuldig, eine 16-jährige Patientin betäubt und vergewaltigt zu haben.

Ein französisches Gericht verurteilte K. wegen Mordes an Kalinka 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis. Das Urteil wurde nie vollstreckt, weil es für Deutschland - nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens - keinen Grund gab, den Mediziner auszuliefern. Um K. doch noch vor Gericht zu bringen, griff Bamberski schlussendlich zur Selbstjustiz und ließ den Deutschen nach Frankreich entführen.

Vater muss sich wegen Entführung vor Gericht verantworten

Die Täter verschleppten den Arzt im Oktober 2009 an seinem Wohnort in Scheidegg, schlugen ihn brutal zusammen und legten ihn gefesselt nahe einer Feuerwache im elsässischen Mülhausen ab. K. leidet bis heute an den Folgen der Entführung und wird seit eineinhalb Jahren in einem Gefängniskrankenhaus im Großraum Paris behandelt.

Im Gerichtssaal erschien auch Kalinkas Mutter, die jahrelang nicht in Erscheinung getreten war und nun als Nebenklägerin auftritt. "Sicher hat sie Zweifel, sie will, dass Dieter K. sich erklärt", sagte ihr Anwalt Alexandre Parra-Brugière. Seine Mandantin ist von K. geschieden. Der Prozess soll bis Freitag kommender Woche dauern. Voraussichtlich nächstes Jahr muss sich Bamberski wegen der Entführung K.s vor Gericht verantworten.

(AFP/pes-)
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