Karneval Samba-Festtage am Zuckerhut: In Brasilien sind die Narren los

Rio de Janeiro · Karneval wird in Brasilien deutlich freizügiger gefeiert als im Rest der Welt. Viel Haut, rassige Samba-Rhytmen und schillernde Kostüme sind sinnbildlich für das närrische Treiben am Zuckerhut. In Rio de Janiero ist in diesen Tagen "König Momo" an der Macht.

Karneval der Samba-Schulen in Sao Paulo
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Karnevalsparade der Samba-Schulen in Sao Paulo

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Am Zuckerhut gibt es kein Halten mehr. Millionen Narren haben sich in den langersehnten Karneval gestürzt.
Gesperrte Straßen, Umzüge, volle Bars und Kneipen und Musik bis tief in die Nacht. "Só Alegria" - "Nur Freude" - lautet das Motto, das die Menschen auf die Straßen treibt und das in ganz Brasilien. Der "Carnaval" regiert das Land.

Seitdem in Rio "König Momo" das Zepter und die Stadtschlüssel in die Hand nahm, toben die närrischen Truppen von früh bis spät zum Sambatakt durch die Millionenstadt. Wer noch nicht verkleidet ist, kann Accessoires, wie Kapitänsmützen, Piratenhüte, Maikäferkostüme und Girlanden gleich auf der Straße bei fliegenden Händlern für kleines Geld kaufen. Die meisten kommen in Badehose, Bikini und Flip-Flops. Schon lange Hosen sind zu warm.

Blocos in den Vorstädten

Eigentlich läuft das närrische Treiben schon seit Wochen. "Ich finde den Vorkarneval am schönsten", sagt die 22-jährige Cecília, eine von der vielen lizenzierten Bierverkäuferinnen. Die Halb-Liter-Dose aus der eisgefüllten Styropor-Box verkauft sie für 5 Reais (1,60 Euro). "Estupidamente gelada" muss das Bier sein, "blödsinnig kalt", das heißt also sehr kalt, denn bei den "Blocos" und bei über 30 Grad auch mitten in der Nacht tut Abkühlung not.

"Blocos" sind kleine und große Stadtviertelumzüge, die tagsüber und nachts durch Rio toben. Am Praça Tiradentes im Zentrum, wo auch Cecília ihr Bier verkauft, schwofen einige Hundert Menschen zur Samba-Musik beim "Bloco das Carmelitas". In pittoresken Stadtviertel Santa Teresa lockt der "Bloco Aconteceu" (Es ist passiert) vor die kleine aber bekannte Bar do Gomes, und auch in Rios mondänen Strandvierteln Ipanema, Leblon und Copacabana strömen seit Wochen Abertausende Menschen zu den Blocos.

Rund eine Million Karnevals-Touristen erwartet Rio dieses Jahr, und die bescheren der Stadt allein im Tourismusbereich Einnahmen von schätzungsweise umgerechnet 677 Millionen Euro. Karneval ist auch immer ein großes Geschäft. Die Hotellerie rechnet mit einer Auslastung von über 90 Prozent. Die Zimmerpreise sind gepfeffert: Viele Hotels und Pensionen verlangen während der Karnevalstage das Zweieinhalb- bis Dreifache der normalen Preise.

Höhepunkt des Rio-Karnevals ist das Defilee der Top-Sambaschulen, die in zwei Etappen durch das 1984 nach Plänen von Oscar Niemeyer (1907-2012) erbaute Tribünenstadion Sambódromo ziehen. Jede der zwölf Schulen hat zwischen 65 und 82 Minuten Zeit, ihr Thema auf der rund 750 Meter langen Strecke vor etwa 80 000 Zuschauern möglichst überzeugend zu präsentieren. Monatelang proben Tänzer und Trommler für die Auftritte in beiden Nächten zum Rosenmontag und zum Karnevalsdienstag.

Rio ist das Herz des brasilianischen Karneval

Jede Schule zieht mit etwa 5000 fantasievoll kostümierten Teilnehmern, eigens komponierten Samba-Songs und riesigen Motiv- Wagen an Zuschauern und Juroren vorbei. Hingucker sind stets die Samba-Queens, die nur leicht bekleidet oder gar barbusig über den Karneval-Boulevard tanzen. Vorjahressieger "Unidos da Tijuca" wählte sich für 2015 die Schweiz als Motto für ihren Auftritt, der von Edelweiß-Tänzern, Bernhardinern und Schweizer Uhren geziert wird. Die Sambaschule Imperatriz Leopoldinense erinnert mit ihrem Defilee an Südafrikas Ex-Präsidenten Nelson Mandela.

Zweifelsfrei ist Rio ist das Zentrum des Karnevals in Brasilien, doch erfassen die närrischen Erschütterungen das ganze Land. Als wichtige Hochburgen gelten Sao Paulo, Salvador da Bahia und auch Recife im Nordosten des Landes. Dort zog der traditionelle Umzug "Galo de Madrugada" (Hahn der Morgendämmerung) am Samstag wieder weit über eine Million Narren und Feierwütige an, die ein rund zehnstündiges Musikprogramm geboten bekamen. "Der größte Karnevalsblock der Welt", sind sich die Veranstalter sicher.

Die heiß ersehnte fünfte Jahreszeit wollen die Brasilianer so lange wie möglich ausdehnen. Mag der Karneval andernorts am Aschermittwoch vorbei sein, in Rio wird auch nach dem Auftakt der Fastenzeit munter weiter gefeiert. Selbst am Wochenende danach dröhnen noch "Blocos" durch die Straßen und tanzen Sambaschulen durchs Sambódromo.

(dpa)
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