Japanisches Atomkraftwerk Fukushima Katastrophentag endet mit Hoffnungsschimmer

Tokio (RPO). Im Kampf gegen den Super-Gau keimt in Japan neue Hoffnung: Die Betreiberfirma des in eine schwere Krise geratenen Atomkraftwerks Fukushima 1 teilte am Donnerstagmorgen (Ortszeit) mit, dass eine zur Wiederherstellung der Kühlsysteme benötigte Stromleitung fast fertig sei.

Tag 5 nach der Katastrophe
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Die Firma Tepco erklärte, sie konzentriere derzeit ihre Anstrengungen auf die Reparatur von Hochspannungsleitungen, um die Anlage wieder mit Strom zu versorgen. "Wenn diese Instandsetzung beendet ist, werden wir in der Lage sein, elektronische Pumpen zu aktivieren und Wasser in die Reaktoren und in die Abklingbecken für gebrauchte Brennstäbe zu leiten", sagte Tepco-Sprecher Naohiro Omura. Wann es so weit sei, könne er nicht sagen. "Aber wir wollen die Stromversorgung so schnell wie möglich wieder herstellen." Die Zeit drängt. Das Gebot der Stunde ist es, die Anlagen möglichst bald zu kühlen. Doch mehrere Versuche schlugen bislang fehl.

Experten der französischen Atomaufsicht IRSN rechneten am Mittwochnachmittag innerhalb der kommenden 48 Stunden mit einer Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima I. Die Experten warnen vor einer massiven Verstrahlung, sollte es nicht gelingen, das Wasserniveau im Abklingbecken von Reaktor 4 zu heben. Nach den 48 Stunden drohe ein "sehr bedeutender" Austritt von Radioaktivität.

Gegen die immer bedrohlicher werdende Atomkatastrophe hatte es zuvor eher Rückschläge gegeben. Die verbliebenen 50 Experten in der von Erdbeben und Tsunami schwer beschädigten Anlage mussten am Mittwoch vorübergehend abgezogen werden, weil wegen zu starker radioaktiver Strahlung das Gesundheitsrisiko zu groß wurde. Wie groß, zeigte eine Dienstanweisung an US-Soldaten, die sich an dem Rettungseinsatz in Japan beteiligen: Sie müssen mindestens 80 Kilometer Abstand zu Fukushima-Daiichi halten, wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte.

Erste Fernsehansprache des Kaisers

Fünf Tage nach der verheerenden Naturkatastrophe wandte sich der japanische Kaiser Akihito an sein Volk. In der ersten reinen Fernsehansprache seiner Herrschaft bekundete der 77-jährige Monarch den Opfern sein Beileid. Die Lage in den Atomkraftwerken bezeichnete er als unberechenbar.

Nach dem vorübergehenden Anstieg der Strahlung in Fukushima sanken die Werte später wieder, und die Experten bereiteten eine Rückkehr in das Werk vor. Zur Minimierung der Strahlenbelastung arbeiteten die rund 180 Mitglieder des Notteams in rotierenden Schichten im Gefahrenbereich.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger befürchtete schon in Kürze "weitere katastrophale Entwicklungen". Das Kraftwerk Fukushima sei "außerhalb einer fachmännischen Kontrolle", sagte der deutsche Kommissar in Brüssel.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, will nach eigenen Angaben so rasch wie möglich nach Japan reisen. Er hoffe, dass er bereits am Donnerstag fliegen könne, sagte Amano in Wien.

Um die Arbeiten in Fukushima 1 fortführen zu können, erhöhte die Regierung die maximal zulässige Strahlenbelastung für Mitarbeiter in Atomanlagen auf mehr das Doppelte. Das Ministerium für Arbeitsgesundheit begründete dies mit der Notwendigkeit, eine Verschlimmerung der Lage in Fukushima-Daiichi zu verhindern. Die Erhöhung des Grenzwerts von 100 auf 250 Millisievert sei "unter den Umständen unvermeidbar".

Bundesregierung rät zur Ausreise

Immer mehr Länder sprechen Reisewarnungen für Japan aus und holen ihre Bürger zurück. Die Bundesregierung rät den rund 1.000 verbliebenen Deutschen im Großraum Tokio mittlerweile offiziell, sich in anderen Landesteilen in Sicherheit zu bringen oder ins Ausland zu reisen.

Es handele sich um eine "erhebliche Aktualisierung" der Reisehinweise, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Teile der deutschen Botschaft sind nach seinen Worten von Tokio nach Osaka verlegt worden, um den Bundesbürgern konsularisch zu helfen.

Tausende weiter vermisst

Die Sorge vor einer riesigen Atomkatastrophe verdrängt die Folgen des verheerenden Erdbebens der Stärke 9,0 und des folgenden Tsunamis. Millionen Japaner mussten bereits den fünften Tag ohne Wasser, Strom und Heizung ausharren. Nach Polizeiangaben haben mehr als 450.000 Menschen Zuflucht in Notunterkünften gesucht. Offiziell sind bislang gerade 3.700 Tote bestätigt, die tatsächliche Opferzahl geht übereinstimmenden Schätzungen zufolge aber in die Zehntausende. Tausende Menschen werden noch vermisst.

Weltweit unterschiedliche Konsequenzen für Atomkraft

Nach der Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik bleibt unklar, wie lange die Kernkraft in Deutschland noch genutzt wird. Auch das Schicksal der sieben ältesten Meiler, die für drei Monate abgeschaltet werden sollen, ist offenbar noch nicht besiegelt. Kanzlerin Angela Merkel stimmte die Verbraucher am Mittwoch aber bereits auf Strompreiserhöhungen ein.

US-Präsident Barack Obama hält dagegen an der Atomkraft als Energiequelle fest. Atomkraftwerke in den USA würden streng überwacht und seien bis zu einem gewissen Grad erdbebensicher, sagte Obama. Auch Indonesien, das wie Japan stark erdbebengefährdet ist, will den Bau eines Atomkraftwerks mit vier Reaktoren weiter umsetzen. Dagegen stoppte etwa Venezuela die eigenen Atomenergiepläne.

(AFP/dapd)
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