Kuba-Spezial Montecristo, Cohiba und Co. — Kubas glühende Botschafter

Havanna · Selbst militante Nichtraucher werden zugeben müssen: Es riecht großartig in diesen Hallen der Zigarrenfabrik mitten in Havanna. Hunderte Frauen und Männer sitzen dort an abgewetzten, kleinen Arbeitspulten, vor sich dicke Bündel von getrockneten Tabakblättern in den Farben Hell- bis Dunkelbraun.

 Die getrockneten Blätter sehen aus wie Leder — und fühlen sich auch so an. Ihre Qualität ist sehr unterschiedlich.

Die getrockneten Blätter sehen aus wie Leder — und fühlen sich auch so an. Ihre Qualität ist sehr unterschiedlich.

Foto: Werner Gabriel

An der Decke quirlen Ventilatoren die verstaubte Luft mit dem alles überlagernden Aroma der Tabakpflanzen, dezente Kameras hinter gläsernen Halbkugeln beobachten Mitarbeiter und Besucher. Die dürfen vor allem auf keinen Fall fotografieren. Offenbar fürchtet man Kritik an den Arbeitsbedingungen der Menschen, deren Umfeld an die berüchtigten T-Shirt-Nähereien in Bangladesch erinnern.

In einer aberwitzigen Geschwindigkeit greifen sich die Torcedores (Zigarrendreher) die Blätter, rollen sie zu der typischen Zigarrenform, nehmen ein Deckblatt, schneiden es mit einer halbmondförmigen Klinge passend und schmiegen es in geschickten Bewegungen um die vorher geformte Zigarre. Dann wird der Finger eingetaucht in eine klebrige Flüssigkeit, das spitze Ende geformt, das vordere mit einem kleinen Messer gerade abgehackt — und fertig ist die Zigarre. Sie kommt in eine Zwinge aus Holz, immer rund ein Dutzend zwischen zwei Bretter mit vorgeformten Mulden, das Ganze wird zusammengepresst — und mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung wenig später wieder herausgenommen.

 Mit dem Deckblatt wird die Zigarre vollendet.

Mit dem Deckblatt wird die Zigarre vollendet.

Foto: Werner Gabriel

Egal ob Cohiba, Montecristo, Romeo y Julieta — sie alle entstehen auf diesem Weg und in dieser Fabrik. Die Qualität der Innenblätter und des Deckblattes (zwischen beiden bestehen sehr große Unterschiede!) entscheiden über Marke und Größe, speziell ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter (man nennt sie Escogedoras, meist sind es Frauen) entscheiden über die Qualitätsstufe.

Der Zuschauer ahnt: Es gehört viel Erfahrung dazu, diese Kunstwerke aus trockenem Tabak herzustellen — auch wenn die vielen einzelnen Arbeitsschritte so simpel aussehen. Die harten Zentralrippen werden — wieder von Spezialisten, den Rezagas — aus dem Blatt entfernt, die Drehung des Deckblattes (links herum, rechts herum) hängt davon ab, wie der Zigarrenmacher es zuschneidet, nach außen kommt immer die glatte Seite des Blattes. Rund 600 Menschen arbeiten in dieser Fabrik, pro Tag entstehen mehr als 30.000 Stück. Sie arbeiten im Akkord, wenn sie gut sind, kommen sie auf umgerechnet 40 bis 60 Euro pro Monat. Dennoch ist der Job begehrt: Der Verdienst ist sicher, die Zigarrenproduktion komplett in staatlicher Hand.

Wer in die Welt des kubanischen Tabaks eintaucht, der wird erinnert an Weingüter in Italien, Frankreich oder Deutschland: Der Boden entscheidet über Farbe und Qualität, ebenso die Menge des Regens, die Dauer des Sonnenscheins und die Zeit, in der die Sonne wie und wo auf die Pflanzen scheint. Hinzu kommt die Art des Gewächses, das Wissen um den richtigen Umgang und den perfekten Zeitpunkt der Ernte.

 Ein Stück Zeitungspapier nimmt Feuchtigkeit auf.

Ein Stück Zeitungspapier nimmt Feuchtigkeit auf.

Foto: Werner Gabriel

Tabak wird nicht auf der gesamten Insel angebaut, sondern gedeiht in der gewünschten Qualität vor allem im Westen Kubas, Zentrum ist die Region Pinar del Rio (Foto oben). Dessen Bewohner gelten als ein bisschen langsam im Kopf, aber vom Tabak verstehen sie eine Menge, und der Anbau prägt die Landschaft. Überall sieht man die riesigen Scheunen (Casas de Tobacco), in denen die Blätter getrocknet werden.

Dort hängen die Deckblätter oder die fürs Innere — schon beim Anbau ein riesiger Unterschied. Die Blätter, die später das Äußere von Cohiba und Co. formen, wachsen unter Planen, vor der Sonne geschützt. So werden sie größer und dünner. Die anderen müssen sogar das Sonnenlicht haben. Am Ende, nach langer Trockenzeit in den luftdurchlässigen Scheunen, fühlen sie sich an wie feines Leder, haben auch dessen Farbe, und das Licht schimmert durch. Später werden aus den verschiedenen Sorten die Marken und Größen komponiert. Es gibt Dutzende Sorten, einige nur für den nationalen Markt.

Aktuell mit am bekanntesten sind international Cohiba und Montecristo. Warum sie so heißen und wie sie entstanden, ist kubanisches Legendengut: Cohiba ist ein Wort in der Sprache der (von den Spaniern ausgerotteten) Ureinwohner Kubas, den Taino. Christopher Columbus sah sie, wie sie braunes Kraut aus langen, gedrehten Röhren rauchten — übrigens durch die Nase. Diese Röhre hieß in der Sprache dieser Menschen Cohiba.

Die Tabakmischung der Cohiba ist angeblich eine Entdeckung Fidel Castros. Er war bei seinem Lieblingszigarrenmacher, als er den Duft einer Zigarre wahrnahm, die er nicht kannte. Fortan ließ er diese Mixtur für sich und hohe Staatsgäste drehen, und erst viel später wurde sie als Cohiba in den Handel gegeben.

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