Japan vor nuklearer Katastrophe Lage in Atomkraftwerken spitzt sich zu

Tokio (RPO). In Japan haben die Behörden den nuklearen Notstand auch im Atomkraftwerk Onagawa ausgerufen, in einer weiteren Anlage fiel am späten Sonntagnachmittag in Teilen das Kühlsystem aus. Auch dort droht möglicherweise eine Kernschmnelze. In Fukushima ist es dazu allem Anschein nach bereits gekommen. Zudem droht eine erneute Explosion. Rund 160 Menschen wurden möglicherweise bereits verstrahlt. Wir berichten laufend aktuell.

Japan in Angst vor Atom-GAU
12 Bilder

Japan in Angst vor Atom-GAU

12 Bilder

Tokio (RPO). In Japan haben die Behörden den nuklearen Notstand auch im Atomkraftwerk Onagawa ausgerufen, in einer weiteren Anlage fiel am späten Sonntagnachmittag in Teilen das Kühlsystem aus. Auch dort droht möglicherweise eine Kernschmnelze. In Fukushima ist es dazu allem Anschein nach bereits gekommen. Zudem droht eine erneute Explosion. Rund 160 Menschen wurden möglicherweise bereits verstrahlt. Wir berichten laufend aktuell.

Die Lage in den durch Erdbeben und Tsunami beschädigten Atomkraftwerken in Japan spitzte sich im Laufe des Sonntags zu.

Atomanlage Tokai Am späten Sonntagnachmittag fiel in einem dritten Atomkraftwerk das Kühlsystem aus. Wie der Betreiber des Kernkraftwerks Tokai südlich des Akw Fukushima 1 am Montag (Ortszeit) mitteilte, war die Reparatur des Kühlsystems im Gange. Eine Kühlpumpe sei ausgefallen, eine Zusatzpumpe arbeite jedoch und kühle den Reaktor. Das Kraftwerk Tokai liegt rund 120 Kilometer nordöstlich der japanischen Hauptstadt Tokio.

"Unsere Meereswasserpumpe, die durch einen Dieselgenerator angetrieben wird, ist wegen des Tunamis ausgefallen, worauf wir eines unserer Kühlsysteme manuell ausgeschaltet haben", sagte Masao Nakano vom Betreiber Japan Atomic Power Company der Nachrichtenagentur AFP. "Aber die anderen Kühlsysteme und Pumpen arbeiten gut, und die Temperatur des Reaktors ist nach und nach immer weiter gesunken."

Durch das gewaltige Erdbeben waren in der Atomanlage Fukushima 1 bereits zuvor die Kühlsysteme von mehreren Reaktoren beschädigt worden. In zwei dortigen Reaktoren droht offensichtlich akut eine Kernschmelze mit unabsehbaren Folgen für Mensch und Umwelt. Die Regierung will ein solches Szenario nicht ausschließen, Experten rechnen weltweit damit, dass es zu einer nuklearen Katastrophe kommt. Am Nachmittag riefen die Behörden außerdem noch für ein weiteres AKW den Notstand aus.

Die Ereignisse im Überblick

Atomkraftwerk Onagawa Für das Kraftwerk Onagawa sei wegen überhöhter Werte von Radioaktivität die niedrigste Notstandsstufe erklärt worden, teilte die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am Sonntag in Wien mit. Unklar war lange die Situation in den drei Reaktoren der Anlage, nördlich von Fukushima. Einer davon hatte gleich am Tag des Erdbebens gebrannt. Experten haben laut Medienberichten ein 400-Mal höhere Strahlenbelastung gemessen. Später meldetenn Medien, dass die Strahlung nicht aus dem Kraftwerk ausgetreten sei, sondern aus Fukushima herübergeweht sei. Inzwischen ist auch dort der nukleare Notstand ausgerufen worden.

Atomkraftwerk Fukushima 1 (Daiichi) Die japanische Regierung schließt nicht aus, dass es in zwei Atomreaktoren des schwerbeschädigten Meilers Fukushima 1 zu einer Kernschmelze gekommen ist. Zudem drohe in Block 3 der Anlage eine ähnliche Explosion wie am Samstag in Block 1, als das Betongehäuse einstürzte, sagte Kabinettschef Yukio Edano am Sonntag. Bei drei Reaktoren des Kernkraftwerks ist nach dem verheerenden Erdbeben vom Freitag die Kühlung ausgefallen.

Auf die Frage von Journalisten, ob Brennstäbe in der Anlage teilweise geschmolzen seien, sagte Edano: "Diese Möglichkeit besteht." Inzwischen hält die Regierung die zweite Kernschmelze für "höchstwahrscheinlich". Bestätigen lasse sich dies aber nicht, da man nicht prüfen könne, was sich im Inneren der Reaktoren abspiele. Aber in beiden Fällen würden Maßnahmen getroffen, die auf einer solchen Annahme fußten. Später sagte Edano, es sei unwahrscheinlich, dass sich in Block 3 eine Kernschmelze ereignet habe. Womöglich hätten sich die Brennstäbe zum Teil verformt.

Derweil geht das Bemühen um eine Kühlung der Reaktoren weiter. Nach Angaben einer Nachrichtenagentur ist damit begonnen worden, den Reaktoren Meerwasser zur Kühlung zuzuführen. Damit reagieren die Verantwortlichen offenbar auf die Meldung, dass auch in Reaktor 3 die Kühlsysteme ausgefallen sind.

Nach Angaben der Regierung versuchten Fachleute, eine Explosion in Block 3 zu verhindern, indem sie Meerwasser zur Kühlung in die Anlage pumpten. Diese Methode wurde auch bei Block 1 angewendet. Diesmal habe man jedoch "frühzeitig damit begonnen", Druck abzulassen und Wasser einzupumpen, sagte Edano. Beobachter werteten dies als Eingeständnis, dass die Regierung bislang zu zögerlich vorging. Kritiker werfen ihr schwaches Krisenmanagement vor.

Im Atomkraftwerk Fukushima sei die Radioaktivität kurzzeitig über das zulässige Niveau gestiegen, danach aber wieder deutlich zurückgegangen, erklärte Yukio Edano. Bei mindestens drei Reaktoren des Kernkraftwerks ist die Kühlung ausgefallen. Aus einem Gebiet von 20 Kilometern um das Kernkraftwerk, das etwa 270 Kilometer nördlich von Tokio liegt, wurden inzwischen 170.000 Menschen in Sicherheit gebracht.

Um Druck von dem überhitzten Reaktor im Block 3 zu nehmen, sei bereist zuvor Dampf abgelassen worden. Damit sei wohl auch eine geringe Menge Radioaktivität freigesetzt worden. Vermutlich hätten einige Brennstäbe kurzzeitig auch freigelegen. Damit waren sie vermutlich nicht mehr ganz mit Wasser bedeckt. Das würde zu einem Temperaturanstieg im Reaktor führen.

Es bestehe Edano zufolge nach dem Ausfall der Kühlung aber das Risiko einer Explosion, allerdings werde die eigentliche Hülle des Reaktors davon vermutlich nicht betroffen sein. Am Samstag hatte eine Explosion die Beton-Außenhülle von Block 1 zerstört. Die Stahlhülle des Reaktorkerns blieb aber nach Angaben der Regierung intakt.

In Fukushima 1 sind offensichtlich die Reaktoren 1-3 beschädigt, die Reaktoren 4-6 waren bereits vor dem Erdbeben wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet.

Atomkraftwerk Fukushima 2 (Daini) In Japan wollen Sicherheitsexperten nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde NISA (Nuclear and Industrial Safety Agency) an der Nuklearanlage Fukushima Daini Sicherheitsventile öffnen und Dampf ablassen, um den Druck in den Reaktoren 1, 2 und 4 zu senken. Ein NISA-Mitarbeiter sagte, die Vorbereitungen für die Entlastungsaktion seien im Gange.

Die Temperatur und der Druck in den Reaktoren sei derzeit "etwas hoch". Hintergrund sind Probleme mit dem Kühlsystem. "Das Hauptkühlungssystem, eine Pumpe die normalerweise Meerwasser in die Anlage pumpt, ist teilweise ausgefallen", sagte der NISA-Mitarbeiter.

Der international tätige Atomexperte Mycle Schneider erklärte dazu, das Dampfablassen sei "eine Notlösung. Dann beginne ein Jojo-Effekt: "Die Temperatur im Druckbehälter steigt, also wird Meerwasser hinein gepumpt. Das verdampft durch die Hitze des Kernbrennstoffs und erhöht damit den Druck im System. Also muss der radioaktive Dampf abgelassen werden, was die Menge an Kühlwasser reduziert. Daraufhin steigt die Temperatur im Druckbehälter wieder und es muss erneut Meerwasser hineingepumpt werden."

Wenn dies aufgrund ausfallender Pumpen nicht möglich sei, sagte Schneider, "ist man in einer ähnlichen Situation wie zuvor in der Anlage Fukushima Daiichi". Dort ist die Lage inzwischen offenbar völlig außer Kontrolle geraten. Auch die japanische Regierung geht davon aus, dass es dort zumindest zu einer teilweisen Kernschmelze gekommen ist. Im Block 3 des Kernkraftwerks könne es zu einer Wasserstoff-Explosion kommen.

Aus Fukushima 2 gibt es unterschiedliche Angaben darüber, ob drei oder alle vier Reaktoren betroffen sind.

(apd/top)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort