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Stadtteile blockiert Lehrer-Demos legen Mexiko-City lahm

Mexiko-Stadt · Reformpläne des Staats treiben Mexikos Lehrer auf die Straße. Mit ihren Protestaktionen legen sie die Millionenmetropole Mexiko-Stadt so gut wie vollständig lahm. Um von A nach B zu kommen, werden dann auch mal grundlegende Regeln des Straßenverkehrs außer Kraft gesetzt.

 Mexikos Lehrer sind auf der Straße.

Mexikos Lehrer sind auf der Straße.

Foto: dpa, Sashenka Gutierrez

Nichts geht mehr in Mexiko-Stadt, diesem Moloch mit 22 Millionen Einwohnern. Ursache ist kein Erdbeben oder einer der nahegelegenen Vulkane - nein, hier geht es um aufgebrachte Lehrer.

Mit ihren Demonstrationen gegen die Reformpläne der Regierung haben es die rund 10 000 Pädagogen binnen einer Woche geschafft, dass der internationale Flugverkehr aus der mexikanischen Hauptstadt ins Stocken geriet, dass zwei wichtige Fußballpartien abgesagt wurden, dass die Marathonstrecke verlegt werden musste und dass der ohnehin stets dem Kollaps nahe Verkehr in Mexiko-Stadt noch zähflüssiger wurde. Die Proteste zwangen sogar Präsident Enrique Peña Nieto, seine für Sonntag geplante Rede zur Lage der Nation zu verschieben.

Taxifahrer nehmen inzwischen keine Touren mehr in bestimmte, häufig blockierte Stadtteile an, während viele Bewohner alle Regeln außer Kraft setzen, um überhaupt voranzukommen - man fährt gegen die Einbahnstraße, steigt auf Mietfahrräder um, kürzt ab, indem man über Zäune steigt, oder springt auf die Ladefläche von Pick-up-Trucks der Polizei auf, um sein Ziel zu erreichen.

Inzwischen hat die Stadtverwaltung sogar eine spezielle App veröffentlicht, über die Fahrer aktuelle Informationen über Demonstrationen in der Hauptstadt erhalten. Jede Blockade, jeder Protestzug wird durch ein orangefarbenes Symbol signalisiert, das einen Bürger beim Besteigen eines Bergs zeigt.

"Es ist furchtbar. Das Geschäft ist tot. Niemand steigt ins Taxi, weil überhaupt nichts vorangeht", sagt Taxifahrer Ernesto Gallegos. "Die Leute steigen wieder aus und sagen: "Ich gehe doch lieber zu Fuß." Oder sie steigen auf diese Öko-Fahrräder."

Cesar Juarez, der für eine Telekommunikationsfirma Mobilfunkanlagen repariert, nutzt den Stau, den eine Lehrer-Demo verursacht hatte, um Fotos zu machen und seinem Chef zu senden - als Beleg dafür, warum er nicht zu einem Kunden kommt. Auch in anderen Fahrzeugen in der Schlange wird eifrig zum Handy gegriffen, um in der Firma Bescheid zu sagen, dass man feststeckt.

"Ich musste heute schon zwei Termine absagen", schäumt Bankmitarbeiter Arturo Gutierrez und tippt geschäftig in seinen Blackberry. "Das ist wirtschaftlich verlorene Zeit. Ich habe meiner Frau gerade gesagt: "Lass uns doch aufs Land ziehen. Was machen wir hier?""

Auslöser für den Tumult ist die Regierung. Sie will Lehrer regelmäßig mit standardisierten Tests prüfen und das Mitspracherecht der Gewerkschaft bei Personalentscheidungen brechen. Für ein Bildungssystem, in dem einige Lehrer ihre Stelle von den Eltern geerbt haben, wäre dies ein radikaler Umbruch.

Bei der Gewerkschaft registriere man sehr wohl, dass die Volksseele zu brodeln beginnt, sagt Juan Melchor Román, einer der Führer der streikenden Lehrer: "Aber wir glauben, dass die Nachrichtenmedien die Stimmung hochkochen. Wir möchten, dass die Öffentlichkeit begreift, wofür die Lehrer kämpfen - und dass sie uns ein wenig verstehen."

Die Gewerkschaft lehnt die standardisierten Tests ab. Es sei keine gerechte Methode, die gesamte Laufbahn eines Lehrers zu bewerten, es müssten auch Bewertungen durch Eltern und Schüler sowie andere Faktoren berücksichtigt werden. Von Regierungsseite heißt es, die Lehrer hätten mehrere Möglichkeiten, den Test zu bestehen. Und selbst wenn ein Lehrer durchfalle, werde er nicht entlassen, sondern nur außerhalb des Klassenzimmers eingesetzt.

Doch die Horden, die sich tagtäglich durch Mexiko-Stadt quälen, haben wenig Interesse an den Details - schon gar nicht, wo sich die Situation tatsächlich noch verschlimmern könnte. Am Samstag wollen sich die streikenden Lehrer einem gewaltigen Protestzug anschließen, bei dem gegen die Pläne der Regierung, die Ölindustrie umzukrempeln, demonstriert werden soll. Nun wird die Befürchtung laut, dass - wie schon bei früheren Demonstrationen - Scheiben zu Bruch gehen und Geschäfte geplündert werden könnten.

Mexiko-Stadt sieht sich als eine der kulturellen und intellektuellen Metropolen Lateinamerikas - umso peinlicher für die linke Stadtregierung, dass die ganze Stadt durch Lehrer lahmgelegt wird. Und natürlich sind es nicht nur die "Chilangos", wie sich die Einwohner von Mexiko-Stadt nennen, die von den Protesten betroffen sind. Touristen und andere Reisende mussten sich vergangene Woche auf Umwegen zum internationalen Flughafen quälen, nachdem die Lehrer eine der wichtigsten Zufahrtsstraßen blockierten. Diverse Flüge konnten nur verspätet starten.

Aber auch beim Besuch der Stadt mehren sich die Probleme. Vergeblich sucht Luis Torres einen der roten Doppeldeckerbusse, die für Stadtrundfahrten eingesetzt werden. "Man kommt an solch einen historischen Ort, nur um dann festzustellen, dass der Bus eine andere Strecke fährt. Alle Pläne sind dahin", sagt der Tourist aus Caracas.

Auch wenn man es im Rathaus von Mexiko-Stadt nicht gerne hören wird: Torres fühlte sich gleich heimisch. "Nicht nur der Verkehr ist so schlimm wie bei uns in Venezuela, sogar die Slogans der Demonstranten klingen ähnlich", witzelt er.

(ap)
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