Giraffe an Löwen verfüttert Marius' Tod löst Debatte um Zoos aus - Expertin verteidigt Tötung

Kopenhagen · Das weltweite Entsetzen über die Tötung und Verfütterung von Giraffe Marius im Zoo Kopenhagen hält an. Neben Stimmen zur Schließung des Zoos fordern deutsche Tierschützer eine Auswilderung der Tiere. Eine Gelsenkirchener Tier-Expertin erklärt die Entscheidung des Zoos.

Zoo Kopenhagen verfüttert gesunde Giraffe an Löwen
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Zoo Kopenhagen verfüttert gesunde Giraffe an Löwen

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Tierschützerin Monika Lenzen ist nach der öffentlichen Verfütterung der Giraffe Marius noch immer entsetzt. Das Vorstandsmitglied des Tierschutzvereins in Meerbusch stößt sich besonders an der Vorgehensweise des Zoos: die gleiche einer brutalen Inszenierung. "Die Giraffe erst zu töten und dann vor den Augen von Kindern zu verfüttern ist eine Katastrophe", sagt Lenzen.

Über das Internet hat die Tierschützerin von dem Vorfall in Kopenhagen erfahren. Hätte man das mit einer Kuh oder einem Schwein gemacht, hätte das niemanden interessiert, ist sich Lenzen sicher. "Aber es war nunmal eine süße Giraffe."

Marius' Zucht war Fehler

Und eben diese hätte laut Lenzen erst gar nicht gezüchtet werden dürfen. Denn die Tötung war damit begründet worden, dass der Gen-Mix der Giraffe dem der anderen Artgenossen zu ähnlich und eine Fortpflanzung aus Sorge vor Inzucht nicht vertretbar gewesen sei. Laut Lenzen habe der Kopenhagener Zoo genau dies in Kauf genommen, um mit Baby-Giraffe Marius Besucher in den Zoo zu locken. "Die Giraffe wurde geboren, obwohl die Inzucht-Gefahr mit Sicherheit schon vorher bekannt war", sagt Lenzen.

Der Fall sei ein weiteres Zeichen dafür, dass Menschen ihrer Meinung nach zu viel Gewalt über Geschöpfe besitzen, "die keine Chance haben". Lenzen fordert deswegen einen respektvolleren Umgang mit Tieren. Aus tierethischer Sicht kritisiert Journalistin und Autorin Hilal Sezgin ("Artgerecht ist nur die Freiheit", C.H. Beck) den Vorfall. Es mache einen Unterschied, ob ein Löwe in der Wildnis eine Giraffe erlegt, oder der Mensch das in einem Zoo für ihn "übernehme". Gefangen seien beide, der Löwe und die Giraffe. "Dieses Hauptproblem von Zoos wurde allerdings in der ganzen Aufregung fast nie erwähnt", sagt Sezgin. Neben der generellen Abschaffung von Zoos setzt sie sich für eine Auswilderung von Zoo-Tieren ein. "Ansonsten sollte der Mensch Tiere in Frieden und mithilfe von Verhütung und Kastrationen aussterben lassen", sagt Sezgin. Das sei artgerechter als ein Leben in Gefangenschaft.

Zoos haben Verständnis

Dagegen kann Sabine Maas, Diplom-Biologin und Pressesprecherin der "Zoom Erlebniswelt" in Gelsenkirchen, den Schritt des Kopenhagener Zoos nachvollziehen. "Aus wissenschaftlicher Sicht war die Tötung von Marius absolut gerechtfertigt."

Giraffen, so erklärt sie, leben in sogenannten Haremsgruppen, die aus einem Männchen sowie mehreren Weibchen und deren Jungen bestehen. Sobald eines der männlichen Jungen geschlechtsreif wird, muss es die Gruppe verlassen. Nur so können mitunter tödliche Kämpfe zwischen dem männlichen Anführer der Gruppe und den jungen Bullen vermieden werden. Außerdem muss Inzucht vorgebeugt werden, wie es auch im Zoo in Kopenhagen der Fall war.

Tötung ist Ausnahmefall

"Dass ein Tier getötet werden muss, ist allerdings der Ausnahmefall", erklärt Maas. In der Regel können die jungen Giraffen an andere Zoos vermittelt werden, sofern der betreffende Zoo sie nicht selbst behalten kann. Dabei hilft die "European Organisation of Zoos and Acquaria" (EAZA), die Dachorganisation der Zoos in Europa. "Hier sind etwa 300 Zoos organsiert. Allerdings haben nur etwa 160 Zoos ein Giraffengehege und kommen damit als neues Zuhause für die jungen Bullen infrage", so Pressesprecherin Haas.

Marius' Gene wurden ihm zum Verhängnis

Außerdem muss in dem betreffenden Zoo in einer Haremsgruppe Platz für ein weiteres Männchen sein - und die Gene des Tieres müssen zu denen der anderen Tiere passen - andernfalls könnte der neue Zoo bald ebenfalls vor einem Inzuchtproblem stehen. Deshalb wird der Gen-Mix eines jeden Tieres bei der EAZA erfasst. Marius' Gene waren denen der Giraffen in den anderen Zoos offenbar zu ähnlich, als dass er dort hätte aufgenommen werden können.

Kann das Tier an keinen anderen Zoo vermittelt werden, bleibt die Tötung oft der einzige Ausweg. Empfängisverhütung wäre eine weitere Möglichkeit, doch die hormonelle Verhütung bei Giraffen werde derzeit noch erforscht, so Haas.

Auch die Verfütterung des Tieres an den Löwen rechtfertigt Haas. Diesen Schritt habe der Zoo gehen müssen, weil die Schlachtung eines Tieres gesetzlich nur dann erlaubt ist, wenn es anschließend verfüttert wird, wie Haas erklärt. "Wissenschaftliche gesehen ist die Tötung einer Giraffe nichts anderes als die Tötung eines Schweins oder eines Rinds. Diese werden auch regelmäßig im Zoo an Löwen verfüttert", gibt Haas zu bedenken.

(jco/ape)
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