Verfassungsschutz prüft Neonazi-Kontakte Merkel im Visier des Oslo-Attentäters?

Berlin · Der norwegische Attentäter Anders B. soll auch Bundeskanzlerin Angela Merkel als mögliches Ziel gesehen haben. Der Verfassungsschutz prüft mögliche Kontakte zur deutschen rechten Szene. Die norwegische Polizei wehrt sich unterdessen gegen Vorwürfe, sie habe bei der Bluttat auf Utoya nicht schnell genug gehandelt.

 Anders B. B. soll auch Kanzlerin Angela Merkel im Visier gehabt haben. Mögliche Kontakte zur deutschen Neonazi-Szene werden überprüft.

Anders B. B. soll auch Kanzlerin Angela Merkel im Visier gehabt haben. Mögliche Kontakte zur deutschen Neonazi-Szene werden überprüft.

In seinem im Internet veröffentlichten rassistischen Manifest hat der 32-Jährige namentlich die CDU-Chefin erwähnt sowie allgemein die SPD, Linke und Grünen als mögliche Anschlagsziele benannt. Der Verfassungsschutz bestätigte der "Hamburger Morgenpost", dass er in dieser Sache ermittelt. Es gehe um "mögliche Kontakte" des Attentäters zur rechten Szene in Deutschland.

Hamburgs Innensenators Michael Neumann (SPD) sagte der "Bild"-Zeitung, der Verfassungsschutz der Hansestadt prüfe mögliche Verbindungen des Attentäters zur Hamburger Neonazi-Szene. Es gebe Kontakte der Hamburger rechten Szene nach Skandinavien. Allerdings hätten die Behörden derzeit keine Erkenntnisse über unmittelbare Kontakte des Täters zur Hamburger Szene.

Bosbach: Auch in Deutschland hasserfüllte Gruppen

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, schließt Attentate wie in Norwegen in Deutschland nicht aus. Auch in Deutschland gebe es "solche hasserfüllten Gruppen und Personen", sagte der CDU-Politiker der Onlineausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung". Das rechtsextreme Milieu insgesamt sei nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 sogar "eher problematischer geworden. Das macht uns Sorgen".

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz äußerte sich ähnlich. "Vor so einem Einzeltäter kann man sich nicht schützen, weil er aus dem Nichts auf einmal präsent ist", sagte er der Zeitung. Leute, die das vordergründige Profil des Attentäters von Oslo hätten, gebe es zudem auch in Deutschland viele. Daraus lasse sich aber keine unmittelbare Gefahr ableiten.

Anschläge wie in Oslo lassen sich nach Einschätzung des Terrorexperten Rolf Tophoven in freiheitlichen Gesellschaften kaum vermeiden. "Solch eine Tat wie in Norwegen wäre auch in Deutschland kaum zu verhindern gewesen", sagte der Leiter des Essener Instituts für Krisenprävention den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Allerdings habe es in Oslo wohl erhebliche Sicherheitslücken gegeben. "Sonst hätte man solche großen Mengen von Sprengstoff nicht im Regierungsviertel deponieren können", sagte Tophoven.

Mit Blick auf die Anschläge in Oslo forderte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl erneut den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung als Mittel im Kampf gegen Terrorbedrohungen. "Im Vorfeld muss die Überwachung von Internetverkehr und Telefongesprächen möglich sein. Nur wenn die Ermittler die Kommunikation bei der Planung von Anschlägen verfolgen können, können sie solche Taten vereiteln und Menschen schützen", sagte Uhl der "Passauer Neuen Presse".

Polizei fordert Datei auffälliger Personen

Nach dem Massaker in Norwegen hat der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, eine Datei auffälliger Personen gefordert. "Wir müssen alles tun, um mitzubekommen, wenn jemand mit solchen kruden Gedanken auffällt. Da wäre eine Datei hilfreich", sagte Witthaut der Zeitung "Die Welt" laut Vorabbericht.

Der festgenommene norwegische Rechtsextremist hatte sich bereits vor seiner Tat im Internet mit extremen Äußerungen ausgelassen. Nach Witthauts Einschätzung kann "ein gleich gelagertes Attentat jederzeit auch bei uns geschehen." Davor könne man sich allerdings nicht vollkommen schützen. "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wir sollten hier keine Illusionen wecken", sagte Witthaut.

Osloer Polizei verteidigt sich

Die Osloer Polizei verteidigte sich unterdessen gegen den Vorwurf, sie habe bei dem Anschlag am Freitag nicht rasch genug reagiert. Der Polizeioffizier Johan Frederiksen trat Angaben entgegen, wonach der Schütze auf der Insel Utöya erst nach anderthalb Stunden überwältigt wurde. Zwischen der ersten Meldung der örtlichen Polizei an die Osloer Polizei um 17.30 Uhr und dem Hilfeersuchen um 17.38 Uhr seien acht Minuten vergangen, sagte Frederiksen. Um 18.25 sei dann ein schwerbewaffnetes Sondereinsatzkommando aus der Hauptstadt auf Utöya eingetroffen und habe den B.B. zwei Minuten später überwältigt.

Bei dem Anschlag im Regierungsviertel Oslos kamen am Freitag sieben Menschen ums Leben. Anschließend erschoss der Attentäter auf der Insel Utöya nach Polizeiangaben vom Sonntag 86 Menschen. Damit korrigierten die Behörden die Zahl der Todesopfer auf 93.

(dapd/afp/rtr/RPO)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort