MH17 - Augenzeugenberichte von der Tragödie Leichen fielen vom Himmel über Rossipne

Rossipne · Erst erschütterte eine laute Explosion die Häuser. Dann fielen Leichenteile auf das verschlafene Dörfchen Rossipne. Kurz nachdem die Boeing 777 mit der Flugnummer MH17 am Donnerstag hoch oben am Himmel zerborsten war, stürzte eine der Toten durch das klapprige Dach von Irina Tipunowas Haus.

"Da war dieses heulende Geräusch, und alles begann zu klappern. Dann sind Dinge aus dem Himmel gefallen", berichtet die 65-Jährige vor ihrem Haus aus grauem Ziegelstein. "Und dann hörte ich einen Riesenlärm, und sie landete auf dem Küchenfußboden - sie hat die Decke durchschlagen", sagt Tipunowa und zeigt auf das Loch im Dach des Anbaus, der ihre Küche beherbergt.

Die nackte Leiche der Toten liegt am Freitag immer noch im Haus, neben einem Bett. "Die Leiche ist noch hier, weil sie mir gesagt haben, ich solle auf die Experten warten, die sie abholen", erzählt die alte Dame, die sichtlich mitgenommen wirkt.

Etwa hundert Meter von ihrem Haus entfernt liegen Dutzende weitere Leichen in den Weizenfeldern, wo das Flugzeug aufgeschlagen ist. Eine andere Dorfbewohnerin rannte ins Freie, als sie die Explosion hörte. "Ich machte die Tür auf und sah Menschen herabstürzen. Ein Körper ist in mein Gemüsebeet gefallen", berichtet eine junge Frau, die ihren Namen nicht nennen will.

Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse
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Der Absturzort der MH17 - ein Ort wie nach der Apokalypse

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Nicht nur Menschen fallen an diesem Donnerstagabend aus dem Himmel. Auch Metallteile, Gepäckstücke und andere Trümmer landen auf den Äckern etwa 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die Schnauze des Flugzeugs liegt in einem Sonnenblumenfeld ungefähr einen Kilometer von Tipunowas Haus entfernt. Im Umkreis von mehreren Kilometern werden Trümmerteile, Leichen und Leichenteile entdeckt.

Die Rettungskräfte haben inzwischen nach eigenen Angaben die meisten der Toten gefunden, einige von ihnen weitgehend intakt, andere verstümmelt. Manche wurden an einer Sammelstelle zusammengetragen, andere liegen noch immer da, wo sie aus dem Himmel stürzten. Stöcke mit einem Fetzen weißen Stoffes markieren die Leichenfundorte.

Einige der Toten sind mit fast durchsichtigen Kunststoffplanen abgedeckt, deren Ecken die Helfer mit Erdbrocken oder Steinen beschwert haben. Unter einigen der Planen ragen nackte Beine hervor, auf mindestens einer liegt eine rote Nelke. Unter den Toten sind Frauen und Kinder. Die Leiche eines etwa zehnjährigen Jungen liegt neben dem Cockpit und ist ebenfalls mit einer Plane bedeckt.

24 Stunden nach dem Absturz der malaysischen Verkehrsmaschine mit 298 Menschen an Bord herrscht immer noch Chaos. Schuhe liegen in den Feldern verstreut herum, dazwischen Päckchen mit Tabletten aus einem Medikamentenschrank, leere Koffer und Kleidungsstücke. Im Bemühen, Ordnung zu schaffen, hat jemand die mit Schlaglöchern übersäte Straße abgespült, um Leichenteile und Wrackteile mit dem rot-blauen Logo von Malaysia Airlines davonzuwaschen.

Waren am Donnerstag noch kaum Rettungskräfte vor Ort, sind sie inzwischen in Scharen an der Absturzstelle eingetroffen. Während sie sich in zwei großen Zelten einrichten, wandern Journalisten und Schaulustige weitgehend ungehindert durch die Asche und die verkohlten Trümmer. Uniformierte Aufständische beobachten die Szene nervös.
Aus der Ferne sind Mörserbeschuss und Gewehrfeuer zu hören, dort liefern sich Rebellen und Regierungstruppen weiter Kämpfe.

In Australien auf der anderen Seite der Erde trauern Irene und George Burrows unterdessen erneut. Im März hatten sie ihren Sohn Rodney und ihre Schwiegertochter Mary verloren, als ein Verkehrsflugzeug von Malaysia Airlines spurlos verschwand. Nun sind zwei weitere ihrer Verwandten tot. Sie waren an Bord der Boeing, die in die Weizenfelder im Osten der Ukraine stürzte, wie australische Medien berichteten. "Es ist ein sehr schwerer Tag für uns. Es hat uns einfach umgehauen", sagt Irenes Sohn Greg Burrows der Zeitung "The Courier Mail".

(REU)
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