Nach Brand in Grenfell Tower Dutzende Gebäude fallen bei Tests durch - Evakuierungen drohen

London · Nach der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower sind die britischen Behörden um die Sicherheit Tausender weiterer Hochhausbewohner besorgt. Bei Sicherheitstests fielen bis Sonntag bereits 60 Hochhäuser durch.

 Polizisten stehen im Londoner Stadtteil Camden vor dem Dorney Tower. Das Hochhaus wurde am Wochenende wegen erhöhter Brandgefahr evakuiert.

Polizisten stehen im Londoner Stadtteil Camden vor dem Dorney Tower. Das Hochhaus wurde am Wochenende wegen erhöhter Brandgefahr evakuiert.

Foto: ap, TI

An den in London geräumten Gebäuden war zuvor eine ähnlich leicht entflammbare Fassadenverkleidung festgestellt worden wie am Grenfell Tower. "Wir können kein Risiko eingehen", begründete Georgia Gould von der Verwaltung von Camden die nächtliche Evakuierung der Wohnanlage Chalcots Estate.

Die Bewohner eines der geräumten Hochhäuser konnten am Samstag in ihre Wohnungen zurückkehren, nachdem die Feuerwehr das Gebäude für sicher erklärte hatte.

Bei dem verheerenden Brand im Grenfell-Tower waren in der Nacht zum 14. Juni mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde das Feuer durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst. Die Flammen hatten sich rasend schnell über die Fassade ausgebreitet.

Nach der Brandkatastrophe hatte die britische Regierung eine rasche Überprüfung sämtlicher Sozialbauten im Land angeordnet. Bei den Sicherheitstests fielen bis Sonntag 60 Hochhäuser durch. Damit könnten tausende weitere Briten vor der Evakuierung stehen.

Alle betreffenden Vermieter sowie die zuständigen Feuerwehren und Rettungskräfte seien über diese Testergebnisse informiert worden, erklärte der für die Kommunen zuständige Staatssekretär Sajid Javid.

Die Regierung stehe "in Kontakt mit ihnen allen, um Folgemaßnahmen zu unterstützen und zu überwachen". Am Samstag hatte es geheißen, bei insgesamt 13 Gebäuden in London, Portsmouth und Manchester solle die Fassadenverkleidung sofort entfernt werden.

Viele Bewohner der in der Nacht zum Samstag geräumten Häuser zeigten sich wütend über die plötzliche Aufforderung zur Evakuierung und warfen der Verwaltung Panikmache vor. "Das ist total verrrückt. Was hätte eine weitere Nacht schon für einen Unterschied gemacht?" fragte Melanie Tham. Der 19-jährige Ahmed Mohamed pflichtete ihr bei: "Es war ein totales Durcheinander. Wir hatten nur fünf Minuten, um unsere Sachen zu packen."

Andere zeigten sich verständnisvoll. Es sei "beängstigend", sagte Michelle Urquhart: "Wir haben seit zehn Jahren mit dieser Fassade gelebt."

Die Rentnerin Pippa Wordsworth konnte von ihrer Wohnung im 18. Stockwerk in den vergangenen Tagen das ausgebrannte Gerippe des Grenfell Tower am Horizont sehen. "Die Verkleidung sah hübsch aus", sagte sie. "Wir hatten ja keine Ahnung, dass sie so gefährlich sein könnte."

Camden: Fünf Hochhäuser in London evakuiert
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Fünf Hochhäuser in London evakuiert

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Premierministerin Theresa May versprach am Samstag, die Regierung werde tun, "was notwendig ist", um die Bewohner der geräumten Häuser unterzubringen. Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte derweil, May müsse die Reaktion auf die Brandkatastrophe "in den Griff bekommen".

Der Hersteller der Außenverkleidung des Hochhauses hat ebenfalls Konsequenzen gezogen: Das am Grenfell Tower verbaute Material vom Typ Reynobond PE werde weltweit nicht mehr für die Verwendung bei Hochhäusern verkauft, sagte ein Sprecher des US-Herstellers Arconic am Montag. Für niedrigere Bauten soll das Material aber weiter verkauft werden, wie der Unternehmenssprecher mitteilte. Es besteht aus Aluminium und dem Kunststoff Polyethylen.

(AFP)
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