Blutiges Gemetzel droht Neue Front im mexikanischen Drogenkrieg

Reynosa (RPO). Tagsüber wuseln die Passanten noch immer über den großen Platz und die Einkaufstraße, die Calle Hidalgo. Doch nach Einbruch der Dunkelheit traut sich in Reynosa fast niemand mehr nach draußen. Nachts sind in der Stadt nun häufig Schüsse zu hören, so wie in den anderen Städten im Nordosten Mexikos, an der Grenze zu den USA. Die Gewalt ist aufgeflammt, seit das Bündnis zweier Drogenkartelle zerbrochen ist.

Mexiko: Polizei stürmt Drogen-Villa mit Kleinzoo
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Jahrelang sah es so aus, als könnte dieser Teil des Landes dem blutigen Drogenkrieg entgehen, der im Westen des mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiets tobt. Im Dezember 2006 begann Präsident Felipe Calderón eine Offensive gegen Drogenschmuggler.

Seitdem sind fast 18.000 Menschen gestorben. Polizei und Militär bekommen die Gegend auch mit einem Großaufgebot nicht unter Kontrolle. Traurige Berühmtheit erlangte Ciudad Juárez, wo allein im vergangenen Jahr mehr als 2.500 Menschen getötet wurden. Doch im Osten des Grenzgebiets blieb es lange ruhig.

Damit ist es jetzt vorbei. Mindestens 49 Opfer des Drogenkriegs zählten die Behörden in den Städten entlang der Grenze zwischen Matamoros am Golf von Mexiko und Nuevo Laredo. Außerdem wurden acht Journalisten entführt, vermutlich wegen unliebsamer Berichterstattung. Einer wurde tot aufgefunden, nachdem er offensichtlich gefoltert worden war. Zwei andere kamen frei, die übrigen fünf werden noch vermisst.

Bündnis zweier Banden ist zerbrochen

Bis Anfang des Jahres war das Drogengeschäft fest in der Hand eines Bündnisses zweier Banden, das sich "Die Firma" nannte. Das "Golfkartell" und die "Zetas" hatten sich zusammengeschlossen, der Schmuggel verlief einträglich, nach außen hin aber relativ ruhig, wie Will Glaspy von der US-Drogenbekämpfungsbehörde (DEA) erklärt. Bei den Zetas handelt es sich um ehemalige Elitesoldaten, die zunächst für das Golfkartell als Killer arbeiteten und später ihre eigene Bande gründeten.

Mit der Einigkeit war es vorbei, als im Januar ein Mitglied der Zetas in Reynosa getötet wurde - vermutlich, weil er das Territorium des Golfkartells betreten hatte, ohne dies richtig anzumelden. Die Zetas verlangten daraufhin die Auslieferung des Mörders. Als das Golfkartell diese verweigerte, begannen nach Angaben des DEA-Beamten die Kämpfe.

Ob die jüngsten Vorkommnisse im Nordosten nur der Auftakt für ein Gemetzel sind oder ob die Banden es mit den bisherigen Attacken bewenden lassen, ist noch nicht klar. Die Hoffnung, beide Banden könnten wieder Frieden schließen, wurde rasch enttäuscht. Ein Transparent forderte Präsident Calderon vergangenes Wochenende dazu auf, die Soldaten aus Reynosa abzuziehen. Dann könnten die verfeindeten Kartelle ihre Kämpfe endlich offen austragen. Unterzeichnet war das Transparent von drei Banden, die sich gegen die Zetas zusammengeschlossen haben.

Massenhaft Waffen, Munition und Granaten

Im Februar entdeckte eine Militärpatrouille nahe der Grenzstadt Camargo 22 verlassene Autos, die offenbar in eine Schießerei verwickelt waren. Darin lagen noch sechs Gewehre, 96 Magazine, 2.300 Patronen und mehr als ein Dutzend Granaten. Im gleichen Zeitraum griffen Soldaten mehrfach bewaffnete Gruppen an. Sie töteten sechs Männer in verschiedenen Grenzstädten und stellten ebenfalls massenhaft Waffen und Munition sicher.

Die Einwohner Reynosas und anderer Städte im mexikanischen Nordosten bleiben nun abends lieber zu Hause. Manche lassen ihre Kinder nicht mehr in die Schule gehen, seitdem die Kartelle angeblich Schüler entführen. Konvois aus bis zu einem Dutzend Geländewagen der Bundespolizei sind zu einem gewöhnlichen Anblick geworden. Darin sitzen bewaffnete Männer mit Sturmhauben.

Längst halten viele einen offenen Drogenkrieg für möglich. Der DEA-Beamte Glaspy spricht von mehreren vorstellbaren Szenarien und fügt hinzu: "Wir hoffen, dass sich die kühleren Köpfe durchsetzen."

Mindestens 25 Tote an einem Tag

Allein am Samstag sind im südlichen Bundesstaat Guerrero wieder mindestens 25 Menschen getötet worden. Nach Angaben der Behörden wurden in der Pazifik-Stadt Acapulco und ihrer Umgebung acht Leichen entdeckt, die Hälfte von ihnen war geköpft worden. Im nahegelegenen Tulchingo erschoss ein Bewaffneter fünf Polizisten.

Etwa 160 Kilometer weiter nördlich, in Ajuchitlan del Progreso, töteten Soldaten bei einer Schießerei während einer Drogenrazzia elf mutmaßliche Dealer. Und in Chilpancingo, der Hauptstadt von Guerrero, wurde die von Kugeln durchsiebte Leiche eines Reporters der Wochenzeitung "Vision Informativa", Evaristo Solis, gefunden.

Guerrero und der benachbarte Bundesstaat Michoacan stehen in weiten Teilen unter der Kontrolle von "La Familia", einem der größten und brutalsten Drogenkartelle Mexikos. Sie liefert sich seit Jahren heftige Kämpfe mit rivalisierenden Kartellen um die lukrativen Schmuggelrouten für Drogen in die USA. Im Krieg der Kartelle untereinander und bei der Offensive des Staates gegen das organisierte Verbrechen starben in den vergangenen drei Jahren mehr als 18.000 Menschen.

(apd/csr)
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