Ausweisung niederländischer Rinder Der türkische Coup mit den Kühen

Düsseldorf · Aus Verärgerung über die Regierung in Den Haag will die Türkei niederländische Kühe ausweisen - diese Nachricht liest sich wie Satire. Aber stimmt die Geschichte überhaupt? Recherchen zeigen: Die Wahrheit ist noch viel irrer.

Es ist eine weitere Eskalationsstufe im diplomatischen Streit zwischen der Türkei und den Niederlanden - und eine Geschichte, die um die Welt ging. Weil die niederländische Regierung Wahlkampfauftritte der türkischen Minister verbietet und zwei von ihnen des Landes verwies, will der Verband der türkischen Rind- und Lammfleischproduzenten niederländische Kühe zurück in ihr Heimatland schicken.

"In Zukunft wollen wir keine Tierprodukte mehr aus Holland", sagte der Präsident des Verbandes, Bülent Tunç, der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu. Die erste Gruppe sogenannter Holstein-Rinder sei verladen worden und werde zurückgeschickt. Die Türkei werde in Zukunft eigene Kühe züchten.

Die Geschichte reiht sich ein in eine ganze Serie skurriler Protestaktionen aus der Türkei, Medien in ganz Europa berichteten darüber - auch RP ONLINE.

Der Haken an der Aktion: Die niederländische Regierung weiß von dieser Sache nichts, wie Herman van Gelderen, ein Sprecher des niederländischen Außenministeriums, unserer Redaktion auf Nachfrage sagt. "Diese Geschichte ist nicht wahr", sagt er und nennt sie ein "broodje aap". Übersetzt heißt es Affenbrot und bedeutet in etwa sowas wie moderne Sage, neudeutsch "Hoax" oder einfach Seemannsgarn.

Herman van Gelderen habe von der türkischen Kuhausweisung selbst erst aus der deutschen Presse erfahren. Eine offizielle Aufforderung von türkischer Seite, die Kühe zurückzunehmen, gebe es im Außenministerium nicht. "Wir haben überprüft, was an dieser Sache dran ist, und so, wie die Geschichte präsentiert wird, stimmt sie nicht. Es ist nicht geplant gewesen, diese Kühe zurückzuschicken. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass diese Kühe tatsächlich aus den Niederlanden kommen."

Wie der niederländische Sender NOS nämlich berichtet, haben die Niederlande schon seit einigen Jahren keine Rinder mehr in die Türkei exportiert. Das bestätigt auch der Sprecher des Ministeriums: "Das hat mit tierärztlichen Bestimmungen der Türkei zu tun." Andersherum ist es auch nicht möglich, dass lebende Kühe aus der Türkei in ein EU-Land kommen. Das verbieten Richtlinien aus Brüssel. Demnach ist die Rückkehr der lebenden Holstein-Kühe schon von dieser Seite ausgeschlossen.

Ursprünge liegen in Nordamerika

Wie also konnte es dazu kommen, dass ausgerechnet die Holstein-Rinder zwischen die diplomatischen Fronten geraten sind? Womöglich liegt das an ihrem Ruf in der Türkei. Das Holstein-Rind ist eine äußerst produktive Milchkuhrasse und hat seinen Ursprung in Nordamerika. Ein großes Zuchtland der Holstein-Kuh ist Deutschland, sie hat aber auch Wurzeln in einer alten niederländischen Rinderrasse, der Fries-Hollands. In der Türkei wird die Holstein-Kuh oft als niederländische Züchtung angesehen. Wohl deshalb wird die Aktion auf dem Rücken dieser Rinder ausgetragen.

Die Bestimmungen der EU sind natürlich auch dem türkischen Verband der Viehproduzenten "Türkiye Kırmızı Et Üreticileri Merkez birliğine" bekannt. Genauso wissen die Fleischproduzenten da, dass es sich bei der Holstein-Kuh um eine amerikanische Rasse handelt. Ob es sich bei den ausgewiesenen Kühen um aus den Niederlanden importierte Tiere handelt, wisse man selber auch nicht explizit. "Wir importieren unsere Kühe aus den Niederlanden, aus Deutschland, Österreich und aus Ungarn", sagt ein Sprecher des Verbandes. Die Aktion sei als ein rein symbolischer Protest gedacht.

Ähnliche Formen symbolischer Proteste aus der Türkei lesen sich übrigens auch wie Satire. Wie das Orangenschlachten, das auch gegen die Niederländer gerichtet war. Dabei zerquetschten wütende Menschen in der Türkei Orangen - und zwar deshalb, weil die Farbe des niederländischen Königshauses eben orange ist. Ein weiterer symbolischer Protest: Das Verbrennen einer blau-weiß-roten Flagge - bei der es sich, wie sich hinterher herausstellte, nicht um eine niederländische, sondern um eine französische Flagge handelte. Eines erreichen diese Aktionen allerdings, so skurril sie auch sind: Sie erregen Aufmerksamkeit für den Wahlkampf in der Türkei. Und darum geht es ja im Nachhinein eigentlich.

(see)
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