Beklemmende Kampagne in Norwegen In dieser Castingshow treten Flüchtlinge an

Düsseldorf · Die Bilder dieser Castingshow sind so vertraut. Und deswegen umso zynischer. Wie bei DSDS stehen die Kandidaten vor einer schicken Jury und machen sich vor Angst fast in die Hose. Nur geht es in diesem Fall nicht um Musiktalente, sondern Flüchtlinge. Hauptgewinn ist das Bleiberecht.

 Ahmir ist einer der Haupt-Protagonisten in dem Video zur Castingshow "Stay".

Ahmir ist einer der Haupt-Protagonisten in dem Video zur Castingshow "Stay".

Foto: Screenshot Youtube

Das Video, das nun bei Youtube für Aufsehen sorgt, folgt derselben Dramaturgie wie ein Trailer bei "Deutschland sucht den Superstar", "Germany's Next Topmodel" oder irgendeiner anderen der unzähligen Castingshows, die die Welt seit Jahren überschwemmen. Spannungsgeladene Musik, ein aufgewühlter Kandidat mit Augen voller Angst und Hoffnung zugleich, eine freundliche Assistentin, die den Kandidaten auf seinen entscheidenden Auftritt vorbereitet.

"So you think you can stay", lautet der Titel dieser Castingshow, auf deutsch so viel wie "Du glaubst also, dass du bleiben kannst." Die Idee, die ihr zugrunde liegt, ist so pervers wie provokant: Denn in dieser Show treten Flüchtlinge gegeneinander an. Dem Sieger winkt das Bleiberecht. Dazu muss er der Jury in 90 Sekunden seine Geschichte erzählen. Möglichst aufwühlend, möglichst authentisch, möglichst gut.

In Wahrheit handelt es sich bei dieser Castingshow um eine provokante Erfindung der norwegischen Organisation NOAS, die sich für Asylbewerber einsetzt. Flüchtlinge haben in Norwegen, das seit Herbst 2013 von einer rechtspopulistischen Regierung gelenkt wird, einen schweren Stand. Nach Angaben von NOAS schiebt das Land immer wieder Menschen ab, die nach den Vorgaben der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen eigentlich Schutz genießen müssten.

"Wir wollen zeigen, dass auch Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, gute Gründe haben, ihre Heimat zu verlassen und Schutz in Norwegen zu suchen", heißt es in den Infos zu der Kampagne.

Mit ihrer bitterbösen Parodie auf die Castingshows im Fernsehen haben sie einen Nerv getroffen. Millionen schauen in der Regel zu, wenn junge Menschen sich dort dem Votum einer Jury unterwerfen und für ihre Hoffnung auf die große Karriere ihre ganze Hoffnung und Leidenschaft investieren. In dem Asyl-Video sind es exakt diese TV-Inszenierungen von Hoffnung und Lebensträumen, die einen nun frösteln lassen. Denn die Show mag gefälscht und frei erfunden sein. Die Schicksale, mit denen die Flüchtlinge gegeneinander antreten, sind es jedoch nicht.

So tritt etwa Amir, ein junger Familienvater aus Gaza, gegen Malika aus Tschetschenien und ihre vier Kinder an, außerdem bewerben sich auch Ehsan aus Afghanistan oder Leila aus dem Iran für ein Leben in Norwegen. Die Konfrontationen zwischen Kandidaten und Jury im Casting-Raum sind dann an Zynismus kaum zu überbieten.

Professionell und kühl blicken die vier Jury-Mitglieder auf Amir mit der Kandidatennummer 2244 auf dem Pullover, darüber das blau-rote Logo von "Stay". "Und wer bist du?", heißt es? "Ich bin Amir aus Gaza", lautet die Antwort. "Was machen die Nerven?" Amir lächelt. "Nervös", sagt er und erntet dafür verständnisvolle Blicke und Gelächter.

Doch es sieht nicht wirklich gut aus für ihn. Am Ende seiner 90 Sekunden (die Uhr tickt) zweifelt die Jury. Darf Amir eine Runde weiter? Die Musik steigert die Spannung. "Ich habe Frau und Kinder, bitte", sagt der Kandidat und zeigt ein Foto seiner Liebsten. Das Ende bleibt offen.

(pst)
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