Justiz Norweger exportieren Häftlinge

Oslo · Dass Not erfinderisch macht, beweisen derzeit die Norweger: Weil die eigenen Gefängnisse hoffnungslos überfüllt sind, will Norwegen Häftlinge in den Niederlanden unterbringen. Das norwegische Justizministerium hat laut einer Mitteilung bereits Gespräche mit der niederländischen Regierung über die Anmietung von Zellen begonnen.

 Gefängnisse in Norwegen sind stark überfüllt.

Gefängnisse in Norwegen sind stark überfüllt.

Foto: AP, ASSOCIATED PRESS

"Ich hoffe, dass das sehr schnell geht", sagte Justizminister Anders Anundsen von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei dem Fernsehsender TV2. Die Niederlande haben seit 2009 auch schon etwa 500 belgische Häftlinge aufgenommen.

Norwegen sucht seit Jahren händeringend nach einer Lösung für die Platznot in seinen Haftanstalten. Etwa 1300 verurteilte Straftäter stehen gewissermaßen für eine freie Zelle Schlange. Bis zu 300 Gefangene könnten ihre Haft nun in den Niederlanden verbüßen, berichtete TV2. Die Regierung in Oslo bestätigte diese Zahl zunächst nicht.

Die Anmietung von Gefängniszellen in den Niederlanden ist nicht der erste kreative Versuch des norwegischen Justizministeriums, eine Lösung zu finden. Zuletzt hatte Norwegen die Schweden um Nachbarschaftshilfe gebeten. Im Königreich stehen zwar Zellen leer. Im vergangenen Februar hatten Schwedens Behörden aber abgesagt: Um die norwegischen Häftlinge aufnehmen zu können, wären Gesetzesänderungen nötig gewesen. Das Vorhaben scheiterte damit.

In Norwegen steigt die Zahl der Straftäter seit Jahren kontinuierlich. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union ist die Zahl der Häftlinge innerhalb von zehn Jahren von 2512 in 1999 auf 3403 in 2009 gestiegen. Anfang dieses Jahres musste die norwegische Polizei Medienberichten zufolge bereits inhaftierte Straftäter laufenlassen, weil sie keinen Platz mehr für sie hatte.

Dass die Norweger zu wenige Zellen haben, liegt an den hohen Standards: Sie warten mit wahren Luxusgefängnissen mit großräumigen Einzelzellen und vielen Freizeitangeboten auf. Ein Versuch des Justizministeriums, diese zu Zweierzellen umzubauen, scheiterte bereits an der Gewerkschaft der Strafvollzugsbeamten.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Häftlingsexport, weil wohl vor allem nicht-norwegische Verurteilte in die Niederlande sollen.

(dpa/jeku)
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