100 Tage im Amt Papst Franziskus — der neue Stil im Vatikan

Düsseldorf · Heute ist der Argentinier auf dem Stuhl Petri 100 Tage im Amt. Die Veränderungen seiner Amtsführung muten beinahe revolutionär an; vor allem sind sie sehr populär. Spannende Frage: Wann werden Taten folgen?

Papst Franziskus spricht sein erstes Angelus-Gebet
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Papst Franziskus spricht sein erstes Angelus-Gebet

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Eine Anekdote erzählt oft mehr, als ellenlange Erklärungen es vermögen. Mittagessen im Speisesaal des vatikanischen Gästehauses Santa Marta gleich neben der Petersbasilika: Papst Franziskus, der Argentinier mit italienischen Wurzeln, wünscht, wie das seine Art ist und wie er das beim ersten Angelus-Gebet am Sonntag nach seiner Wahl getan hat: "Buon pranzo". Das ist der italienische Gegenentwurf zum teutonischen Kantinen-Befehl, der auf der ersten Silbe unappetitlich gedehnt wird: "Maaahlzeit!"

Dem Platz mit dem guten Esser Franziskus, der keinerlei Extrawürste beansprucht unter Geistlichen aus aller Herren Ländern, die mit ihm unter einem Dach in Santa Marta leben, näherte sich der junge philippinische Kardinal Tagle. Beim März-Konklave war er einer derjenigen, die als "papabile", also als besonders geeignet für den Petrusdienst galten.

Kardinal Tagle, ein etwas schüchterner Mittfünfziger, dem Johannes Paul II. einst schmunzelnd das Aussehen eines Kommunionkindes zuschrieb, näherte sich dem Papsttisch und fragte: "Heiliger Vater, darf ich mich zu Ihnen setzen?" Statt eines gönnerhaften Kopfnickens des obersten Hirten der Weltkirche lachte der Heilige Vater einladend und sagte dazu: "Aber sicher, nimm Platz, Heiliger Sohn."

Eine arme Kirche für die Armen

Eine andere Begebenheit in den ersten hundert Tagen des Pontifikats des "Papstes vom anderen Ende der Welt" (Franziskus' Selbstbeschreibung nach seiner Wahl am 13. März). Auch sie sagt mehr als manche Beschreibung des Neuen auf dem Stuhl Petri: Üblicherweise erhalten die rund 4000 Bediensteten des Vatikans — Kleriker und Laien — bei einem Pontifikatswechsel ein doppeltes Monatsgehalt. Franziskus, so wird berichtet, habe als bekennender Freund einer "armen Kirche für die Armen" lediglich die Laien, nicht jedoch Ordensleute und Weltpriester hinter der Leoninischen Mauer mit dem Papstwechsel-Bonus begünstigen wollen. Dagegen regte sich Widerstand der Geistlichkeit. Darauf habe Franziskus in seiner spontanen Art befunden: Dann bekomme eben niemand das Extragehalt, dann gingen die so gesparten Euro an die Armen.

Daraus schließt man in der vatikanischen Regierung, der Kurie, zweierlei: Einerseits zeige das Beispiel Franziskus' Willen zum Privilegien-Abbau; andererseits sei es ein erster Beleg dafür, dass der Pontifex Widerstand (hier der Kleriker, die sich zurückgesetzt fühlten) nachgibt. Schon fragen sich Menschen, die es mit Kirche und Papst gut meinen und deshalb eine einschneidende Kurienreform erwarten, die sich der altersgeschwächte Benedikt XVI. nicht mehr zugetraut hatte: Wird auch der robust wirkende Franziskus am Ende an dieser Herkulesaufgabe scheitern?

Beharrungskräfte der italienisch dominierten Kurie

Wird also der Augiasstall mit der schlechten Portion von Intriganten, schmeichlerischen Höflingen und homosexuellen Lobbygruppen auch unter Franziskus nicht ausgemistet werden? Und: Werden die Beharrungskräfte der italienisch dominierten Kurie am Ende auch die Kräfte des bereits 76-jährigen Argentiniers übersteigen?

Die Menschen, die wöchentlich zu Hunderttausenden den so erfrischend nahbaren Herrn in Weiß, der traditionelle päpstliche Kleidungsstücke wie rote Schuhe und Monzetta meidet wie der Teufel das Weihwasser, scheinen nach 100 Tagen zu sagen: "Franziskus? Find' ich gut." 96 Prozent der Katholiken sind mit dem Nachfolger Benedikts XVI. einverstanden; dessen Fotos — man darf das als ungerecht gegenüber einem großen Gelehrten der Kirchengeschichte empfinden — sind in den Andenkenläden rund um Sankt Peter ziemlich schnell den Franziskus-Postern und -bildchen gewichen.

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen

Nach der Sommerpause, die Franziskus weiter im vatikanischen Gästehaus, Wohnung Nr. 201, und nicht in der päpstlichen Residenz Castel Gandolfo außer- und oberhalb des Hitzekessels Rom verbringen will, wird und muss sich wohl auch zeigen, ob der neue Papst seinen fast revolutionär anmutenden Botschaften eines neuen, einfacheren Stils Taten folgen lässt. Auch und gerade für den Jesuiten, der die Kirche jesuanischer, mehr im Sinne ihres Stifters haben will, gilt: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Für die dringend gebotene Kurienreform hat Franziskus, der sich für keinen großen Organisator hält, eine achtköpfige Kardinalskommission eingesetzt. Zu der gehört der Münchner Erzbischof Reinhard Marx.

Erwartet wird, dass Macht von der Zentrale zu den Ortsbischöfen verlagert wird, vor allem dass Franziskus einen natürlich frommen, aber auch diplomatisch geschulten und durchsetzungsfähigen Kardinalstaatssekretär als seinen ersten Manager berufen wird. Dass Franziskus deutschen Kirchenkritikern deren Lieblingsgerichte — hin zum Frauenpriestertum, weg mit dem Zölibat, her mit gelockerter Morallehre — servieren wird, darf bezweifelt werden.

(RP/csi)
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