Oberhaupt der katholischen Kirche Wie Papst Franziskus die Kirche spaltet

Rom · Zwei Jahre nach seiner Wahl wird die Kritik an Papst Franziskus immer lauter. Die katholische Kirche steht an einem Scheideweg – mit unvorhersehbaren Folgen.

 Papst Franziskus, umgeben von Kardinälen.

Papst Franziskus, umgeben von Kardinälen.

Foto: dpa, mpc era

Zwei Jahre nach seiner Wahl wird die Kritik an Papst Franziskus immer lauter. Die katholische Kirche steht an einem Scheideweg — mit unvorhersehbaren Folgen.

Heute vor zwei Jahren wählten die Kardinäle den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum 266. Nachfolger Petri: Papst Franziskus beeindruckte die Welt sogleich mit seinen Gesten. Aber schon jetzt wirkt es manchmal so, als habe der Herbst seines Pontifikats begonnen. In der katholischen Kirche rumpelt es. Denn einige Parameter, die früher zwar für viel Kritik, aber doch auch für Verlässlichkeit sorgten, sind ins Wanken gekommen.

Franziskus spricht anders als seine Vorgänger; er wählt einfache, manchmal missverständliche Bilder. Seine Botschaft ist die, dass gerade Sünder, Ausgeschlossene und Benachteiligte die Gnade Gottes erlangten. Und er lässt keine Gelegenheit aus, um seine eigenen Leute aus der Kurie zu kritisieren. Franziskus hat andere Schwerpunkte als seine Vorgänger gewählt, es wirkt so, als stelle er das ganze Gebäude auf den Kopf.

"Papa piacione", nennen sie ihn im Vatikan. Das bedeutet so viel wie gefallsüchtiger Papst. Denn der Applaus von Atheisten, Kirchenkritikern und vom angeblich rechten Weg abgekommenen Schäflein ist ihm sicher. Der katholischen Welt muss das verdächtig sein. Franziskus hat die Kirche zwei Jahre nach Amtsantritt innerlich gespalten.

Gegner fürchten um die Grundfesten des Glaubens

Während bei den Freunden des Papstes die Hoffnung anhält, dass 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das die Öffnung der Kirche zum Programm machte, mit Franziskus endlich eine den Menschen zugewandte Kirche Einzug halten kann, fürchten seine Gegner um die Grundfesten des Glaubens. Die Kirche, so sagen sie, darf ihre Prinzipien nicht verraten, wenn sie Bestand haben will: Es ist eine Frage des Prinzips, die ausgefochten wird.

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Auf der einen Seite der Papst, mit einem kleinen Kreis ausgesuchter Leute um sich herum: Don Fabián Pedacchio, sein Privatsekretär, der zusammen mit dem brasilianischen Bischof Ilson de Jesus Montanari die Strippen in der Bischofskongregation, der so genannten Bischofsfabrik zieht. Antonio Spadaro, italienischer Jesuit und Direktor der Zeitschrift "Civiltà Cattolica".

Kardinal Óscar Rodríguez Maradiaga aus Honduras, Koordinator des vom Papst eingesetzten neunköpfigen Kronrats der Kardinäle, zu dem auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Reinhard Marx gehört. Über Maradiaga wird im Vatikan gelästert, dass er seine Pastoralbesuche im Hubschrauber absolviere. Eine umstrittene Schlüsselfigur ist auch Kardinal Lorenzo Baldisseri, der die Bischofssynoden für Franziskus koordiniert. Denn die Bischöfe sollen die vom Papst gewünschte programmatische Wende bringen. Das ist aber schwieriger als gedacht.

"Er hat einen Plan, aber keine Systematik"

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Denn Franziskus hat sich mächtige Feinde geschaffen. Zu denken ist etwa an den US-Kardinal Raymond Leo Burke, der offenen Widerstand gegen den Papst angekündigt hat, sollte Franziskus die katholische Lehre über die Unauflöslichkeit der Ehe verändern. Kardinal Robert Sarah aus Guinea kündigte an, dass die Kirche Afrikas "sich felsenfest jeder Rebellion gegen die Lehre Christi entgegenstellen" werde. Und dann wäre da noch George Pell. Der australische Kardinal, ein Mann des ultrakonservativen Lagers, ist das eigentliche Enigma des Pontifikats. Pell steht für die Kirche der "nicht verhandelbaren Prinzipien", also genau die Stoßrichtung, die der auf Barmherzigkeit fixierte Franziskus abschaffen will.

"Er hat einen Plan, aber keine Systematik", sagt ein hochrangiger Kurienmann über Franziskus. Die Agenda des Papstes richte sich nach dem Prinzip: "Wer am Lautesten brüllt, der setzt sich durch." Die Kurienreform, die die Kardinäle vor dem Konklave 2013 vehement gefordert hatten, ist zwei Jahre später immer noch Stückwerk.

Der Papst hat sein Amt verändert. Er ist für die Katholiken nicht mehr ein umstrittener Leuchtturm im Sturm der Säkularisierung, sondern gibt den redseligen, menschennahen Gemeindepfarrer. Dass seine Worte von den Katholiken, die sich nicht wie "Karnickel" fortpflanzen sollten, der Ausdruck vom Faustschlag gegen den, der seine Mutter beleidige oder von der Kinderzüchtigung "mit Würde" für Irritationen sorgen, weiß Franziskus möglicherweise gar nicht. Er wies die Kurie an, ihn nicht mit Kleinigkeiten zu behelligen. Franziskus wolle mit dem Kopf durch die Wand, behaupten einige. Andere sagen, er lasse sich eben durch nichts von seinem Weg abbringen. "Die einfachen Leute verstehen ihn", meint sein Freund, der Jesuitenpater Diego Fares.

Marx: "Wir sind keine Filiale von Rom"

Die Kurie, der päpstliche Verwaltungsapparat, versteht ihn nicht. Das heißt, sie versteht seine Worte, teilt sie aber nicht. Wie auch, wenn der Chef wie in seiner Weihnachtsansprache den Mitarbeitern ständig öffentlich eine Fratze vorhält. "Spirituelles Alzheimer", "existenzielle Schizophrenie" warf er ihnen vor. Der Riss zwischen dem Papst und seinen Truppen wurde größer. Dabei will der Jesuit Franziskus nach dem Prinzip des Heiligen Ignatius von Loyola eigentlich das Gegenteil erreichen: Läuterung durch Selbsterkenntnis. "Franziskus wählt harte Worte, er sagt die Dinge, wie sie sind, ohne Anästhesie", sagt Pater Fares.

Wohin will der Papst die Kirche führen? Wofür steht er genau? Das ist derzeit die Quizfrage in Rom, auf die viele keine Antwort finden. Vielleicht hat Franziskus sein Ziel aber schon längst erreicht. Und zwar mit wesentlichem Zutun des Münchner Kardinals Reinhard Marx. Der kritische Verbündete des Papstes sagte jüngst: "Wir sind keine Filiale von Rom."

Die Synode könne den deutschen Bischöfen nicht vorschreiben, wie sie ihre Seelsorge zu gestalten hätten. Noch vor Kurzem wäre er deswegen von der Glaubenskongregation zurückgepfiffen worden. Franziskus reagierte mit beredtem Schweigen. Die Abnabelung von der römischen Übermutter scheint in vollem Gange. Mit offenem Ausgang für den Papst und die katholische Kirche.

(RP)
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