#NousSommesUnis So erlebte eine deutsche Studentin den Terror von Paris

Paris · Es ist ein Schicksalsjahr für Studentin Hai Ha Vu Thi: Als im April in Nepal die Erde bebte, war die 23-Jährige mittendrin. Jetzt studiert sie an der Sciences Po in Paris und war am Freitag mit einem Freund im Stade de France. In einem Gastbeitrag schildert sie die Ereignisse der Nacht aus ihrer Perspektive.

Paris: Bilder vom Morgen nach den Anschlägen
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Anschläge in Paris – der Tag danach

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Ein Tag nach den Attentaten. Wieder muss ich meiner Familie, meinen Freunden versichern, dass es mir gut geht. Ich bin diesmal nicht in Nepal, aber in Paris. Diesmal ist es keine Naturkatastrophe, sondern ein niederträchtiges Verbrechen.

Eigentlich wollte ich mir mit meinem Kumpel Sam nur das Freundschaftsspiel Deutschland gegen Frankreich im Stade de France anschauen. Umringt von stolzen Franzosen, versuchte ich, die deutschen Fans im Stadion ausfindig zu machen. Nach etwa 15 Minuten hörten wir den ersten Knall. Später folgen noch zwei weitere. Der erste Gedanke: Das waren doch sicherlich wieder Hooligans. Ein Freund versuchte, mich zu erreichen. Keine Chance. Mein Handy war aus. Das Fußballspiel wurde jedoch ohne Unterbrechung weitergespielt. Als sich das Spiel dem Ende neigte, liest Sam zum ersten Mal von der Geiselnahme in der Konzerthalle Bataclan. Lautsprecher im Stadion gaben uns zeitgleich zu verstehen, welche Wege wir nun zu gehen haben, um keine Panik auszulösen. Was ist passiert?

 Hai Ha Vu Thi hat ihren Bachelor an der Georg-August-Universität Göttingen gemacht und studiert jetzt "Human Rights and Humanitarian Action" im Master an der Sciences Po in Paris.

Hai Ha Vu Thi hat ihren Bachelor an der Georg-August-Universität Göttingen gemacht und studiert jetzt "Human Rights and Humanitarian Action" im Master an der Sciences Po in Paris.

Foto: Hai Ha Vu Thi

"Hier ist es nicht sicher!"

In der Menge wurden die Menschen unruhig, jeder war an seinem Handy und hat die Nachrichten verfolgt, plötzlich hörte man aus der Menge Schreie. Sam schob mich Richtung Stadion. "Wir müssen wieder zurück! Hier ist es nicht sicher, renn rein in die Menge", sagte er. Ich war noch immer perplex und habe zu der Zeit noch nicht geahnt, was gerade an fünf weiteren Plätzen in Paris passiert. Sams Handy-Akku versagte nun auch. Ohne konkrete Informationen standen wir auf dem Fußballfeld und warteten auf das O.K. der Sicherheitskräfte. Menschen begannen zu weinen. Was passierte gerade in Paris?

Wie auch in Nepal glaubte ich daran, dass wohl alles in Ordnung sei und Menschen aufgrund der speziellen Situation überreagieren. Nach kurzer Zeit konnten wir das Stadion verlassen und mit der Metro nach Hause fahren. Überall sah man Polizei — auf der Straße, in der Metro und sogar in der Luft. Wir hatten das Gefühl, dass ganz Paris unter Kontrolle steht. Zu Hause angekommen, erreichten mich endlich meine Nachrichten, sei es auf WhatsApp, Facebook, Viber oder als normale SMS aus Deutschland, den Staaten, Nepal und vielen anderen Ländern. Was ist passiert?

Im 10. und 11. Arrondissement meldet die Polizei Schießereien. 1500 Personen befinden sich als Geiseln im Bataclan? Insgesamt sechs Terror-Schauplätze. Schnell schreibe ich meinen Freunden zurück und vergewissere mich, dass alle sicher sind. Sie sind es zum Glück. Im Gegensatz zu vielen anderen. #NousSommesUnis

Anschläge in Paris: Die blutige Spur des Terrors
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Tatort Paris – die blutige Spur des Terrors

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Foto: afp, le

Mindestens 128 Menschen haben ihr Leben gelassen. Mehr als 200 Menschen sind verletzt. Paris hält inne. Alle Museen, Bibliotheken, Schulen und Universitäten, viele Metrolinien bleiben nach der schrecklichen Nacht geschlossen. Obwohl jeder fassungslos ist, werden die Menschen aktiv und zeigen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Porte Ouvert hat in der Nacht die Türen für alle Menschen geöffnet, die Unterschlupf gesucht haben. Freunde machen sich am Samstag auf dem Weg zu einer inoffiziellen Flüchtlingsunterkunft, um Socken, Handschuhe, Matten und Schlafmatratzen zu verteilen. Das Leben muss und wird weitergehen — mit hoffentlich mehr Stärke.

Meine Gedanken sind bei den Opfern, Angehörigen und schlussendlich bei allen Flüchtlingen und Muslimen, die dieser Anschlag ebenfalls um das Vielfache treffen wird — da bin ich mir leider sicher. Die Terrorangriffe sind unbegreiflich und abscheulich. Die Terroristen wollen erreichen, dass wir Angst haben und uns abschirmen. Lasst uns nicht vergessen, dass die Menschen aufgrund solcher Angriffe nach Europa fliehen. Wir müssen zusammenhalten und gemeinsam ein klares Zeichen gegen den Terror signalisieren: #NousSommesUnis!

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