Bestrafung durch Bürgerwehren In Peru wird Gerechtigkeit per Peitschenhieb durchgesetzt

Cajamarca · Die schweren Verbrechen werden dem Gesetz überlassen. Um alles andere kümmern sich die "Rondas Urbanas". In Cajamarca im Hochland von Peru sorgen die gut organisierten Bürgerwehren für eigene Gerechtigkeit.

 Maria Vera wird für eine Affäre mit einem verheirateten Mann mit fünf Stockhieben in der Öffentlichkeit bestraft.

Maria Vera wird für eine Affäre mit einem verheirateten Mann mit fünf Stockhieben in der Öffentlichkeit bestraft.

Foto: ap

Häufig besteht die Strafe, die sich den Übeltätern nachhaltig einprägt, aus Peitschenhieben mit einer Art Ochsenziemer und öffentlicher Bloßstellung. Die Bürgergruppen sind illegal, aber weitgehend geduldet. Sie sehen sich als Antwort auf Korruption und Gleichgültigkeit bei den Sicherheitskräften und in der Justiz. "Wenn die Polizei ihren Job erledigen würde, bräuchte man uns nicht", sagt Fernando Chuquilin, der bekannteste Führer der rund 30 Einheiten in der 200.000-Einwohner-Stadt. Die Strafen sind schmerzhaft und erniedrigend.

Chuquilin, ein schwerer Mann mit leichtem Lächeln, lässt die Peitsche im Büro seiner Gruppe knallen, als eine Patrouille der Bürgerwehr einen kleinen beleibten Mann anschleppt. Er sei ein notorischer Taschendieb, der ihnen da ins Netz gegangen sei, sagen die selbst ernannten Sicherheitskräfte. Ein paar Peitschenhiebe reichen aus: Der Beschuldigte schreit auf und fleht um Gnade. Dann legt er ein Geständnis ab und zahlt umgerechnet rund 50 Euro an eine Frau, deren Handy er gestohlen haben soll. Damit ist der Fall erledigt, der Dieb darf gehen - und wird sich die Lektion merken.

"So gehen wir mit dieser Art von Dieben um", erklärt Chuquilin. In der Bevölkerung ernten der 50-Jährige und seine Männer durchaus Respekt. Täglich kommen Anwohner mit Beschwerden und Beschuldigungen. Zu Chuquilins "Ronda" haben sie mehr Vertrauen als in die Behörden.
Die haben bei vielen verspielt: Laut einer Umfrage im vergangenen Jahr stuften die Peruaner die Polizei auf Platz zwei der korruptesten Institutionen ein, gleich nach dem Parlament. An dritter Stelle folgte die Justiz.

So hätten die Bürgerwehren, nicht die Polizei, erst kürzlich einer Bande von Autoteildieben das Handwerk gelegt, erzählt Chuquilin.
Beweismaterial sei den staatlichen Ermittlern übergeben worden. Obwohl die Gruppen nicht erlaubt sind, drücken Richter und Staatsanwälte in der Provinzhauptstadt angesichts der Popularität und der Erfolge der "Rondas" notgedrungen ein Auge zu. Bei großen Fußballspielen sorgen sie Seite an Seite mit der Polizei für Ordnung.

"Bürgerwehr sind zugänglicher"

"Die Menschen wenden sich an die Rondas, weil diese zugänglicher sind", erklärt der oberste Richter der Region Cajamarca, Fernando Bazan. "Die Leute verlassen sich Tag für Tag auf sie - und sagen uns Tag für Tag ins Gesicht, dass wir unfähig seien, für ihre Sicherheit zu sorgen."

Nichts ist Chuquilin und seiner Gruppe zu unwichtig, kein Streit zu trivial. Sie kümmern sich um Eigentums- und Schuldenangelegenheiten, um Familienstreitigkeiten und Fälle von Ehebruch. Bei letzteren sind Peitschenhiebe für den untreuen Partner vorgesehen und die Anweisung, künftig treu zu sein. Und diese ist durchaus wirksam.

Auch Vorladungen von Chuquilin wagen Beschuldigte kaum zu ignorieren. Die Anhörungen und Strafen sind meist öffentlich. Bei Auspeitschungen wird der Grad der Bloßstellung noch einmal gesteigert: Chuquilin lässt die Strafaktion aufzeichnen und lädt sie auf YouTube hoch. Scharfe Kritik von Menschenrechtlern ernten die Gruppen auch für Razzien in Bordellen, bei denen sie die Peitsche schwingen und Matratzen in Brand stecken.

In den Medien des südamerikanischen Landes, in dem Prostitution an sich nicht verboten ist, haben solche Aktionen den "Rondas" den Ruf als Moralpolizei mit Anklängen an die afghanischen Taliban eingebracht. Chuquilin betont, seine Gruppe nehme nur Bordelle mit minderjährigen Prostituierten ins Visier oder solche, die zu Magneten für Kriminelle wurden.

Das härteste Strafmaß, das die "Rondas" nach eigenen Angaben verhängen, ist die Verbannung des Täters. Bei Gewaltverbrechen übergeben sie den Beschuldigten der Polizei.

Die Bürgerwehren seien die beste Möglichkeit, Übeltäter von einer Karriere als Kriminelle abzuhalten, sagt Chuquilin. Als Beispiel nennt er den Fall zweier junger Männer, die mit bewaffneten Überfällen auf Autofahrer für Aufsehen sorgten. Eines ihrer Opfer hätten sie sogar ins Bein geschossen, berichtet Chuquilin. Seine Leute hätten die jungen Männer daraufhin gestellt und zum Aufgeben überredet. Um die Täter dann vor einer aufgebrachten Menschenmenge zu retten, hätten sie eine öffentliche Strafe verhängt: Die Delinquenten wurden gezwungen, feurige Chilischoten zu essen. Anschließend bezahlten die beiden noch die Arztrechnungen des Mannes, den sie verletzt hatten.

Mit dieser Wiedergutmachung schafften die jungen Männer nach Berichten Chuquilins den Weg zurück in die Gemeinschaft, fanden Arbeit und Unterstützung. "Einer der beiden hatte keine Unterkunft", sagt der Bürgerwehrchef. "Die Gemeinde half ihm und baute eine." Mit einfachen Maßnahmen sei so der Bürgergemeinschaft die Resozialisierung der Straftäter geglückt. "In anderen Worten: Sie machte gute Menschen aus ihnen."

(ap)
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