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NSU-Prozess Polizist Martin A. und der Kampf um die Erinnerung

München · Der Polizist Martin A. überlebte das Heilbronner Attentat des NSU schwer verletzt. Er kämpfte verzweifelt um seine Erinnerung - bis klar wurde, dass der Fall auch so gelöst werden kann.

 Martin A.s Kollegin Michelle Kiesewetter überlebte die Schüsse nicht.

Martin A.s Kollegin Michelle Kiesewetter überlebte die Schüsse nicht.

Foto: dpa

Elf Mal schossen die Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) auf Menschen. Immer präziser, immer effizienter exekutierten sie ihre Opfer. Zehn Menschen starben. Nur Martin A. hat überlebt. Teile einer Kugel stecken noch in seinem Kopf.

April 2007: Der junge Polizist sitzt mit seiner Kollegin Michèle Kiesewetter am Rande der Heilbronner Theresienwiese im Streifenwagen und macht Pause. Die Fenster sind offen, wahrscheinlich auch die Autotüren; es ist ein warmer Tag. Die Täter nähern sich von hinten. Wohl ohne Vorwarnung schießen sie auf die Beamten. Kiesewetter stirbt noch am Tatort. Martin A. liegt wochenlang im Koma.

Jahrelang bleibt der Fall ungeklärt. Und Martin A. sucht in seiner Erinnerung, ob er irgendetwas findet, das seine Kollegen zu den Tätern führt. Als er aus dem Koma erwacht, denkt er zunächst, er habe einen Motorradunfall gehabt. Dann fällt ihm auf: "Ich habe kein Motorrad, nicht mal einen Motorradführerschein."

Nach einigen Wochen besuchen ihn die Ermittler im Krankenhaus, berichtet am Dienstag ein Kriminalhauptkommissar in NSU-Prozess.
Vorher sollte Martin A. nicht erfahren, was passiert ist - seine Erinnerungen sollten nicht verfälscht werden. Die Ermittler sagen ihm, dass er eine Schussverletzung hat. Und dass seine Kollegin tot ist. Martin A. ist geschockt.

Ein knappes Jahr nach dem Anschlag fährt Martin A. nach Heilbronn. Mit den Kollegen besucht er den Tatort. "Er hatte Blumen dabei. Wollte stilles Gedenken", sagt der Kommissar. Als A. vom Tatort zurückkommt, ist er aufgewühlt: "Er sagte, er könne sich wieder erinnern, dass Michèle rückwärts eingeparkt hat. Und dass er im Rückspiegel eine Person gesehen habe, die sich von hinten nähert."

Und er erinnert sich, wie er nach dem Schuss auf dem Boden lag. "Er sagte, er würde jetzt noch die Kieselsteine an seine Wange drücken spüren und habe Angst um seine Brille, dass die nicht zerkratzt."

Später lässt sich Martin A. unter Hypnose vernehmen. "Wenn irgendwas in mir drin ist, holt's raus", habe er seinen Kollegen gesagt - das erzählte er Mitte Januar vor Gericht. Mit einer Psychologin setzt er sich ins Auto, an die Stelle, wo es geschah. Und Martin A. erinnert sich an Details: An Jeans, schwarze Schuhe, ein Hemd. Es wird ein Phantombild erstellt.

Doch erinnert Martin A. sich wirklich? Der Neurologe, der ihn nach dem Attentat behandelte, hat Zweifel. Am Montag sagte er vor Gericht aus. Er gehe davon aus, dass Martin A. an das Attentat und die Zeit unmittelbar davor keine Erinnerung habe. "Ich glaube, dass es eher keine Möglichkeit gibt, diese Gedächtnislücke zu überwinden", meint der Facharzt. Die Verletzung des Gehirns sei so schwer, dass überhaupt keine Gedächtnisinhalte angelegt worden seien. Das würde bedeuten: Es gibt überhaupt keine Erinnerungen, die sich irgendwie wieder hervorholen ließen.

Mittlerweile glaubt auch Martin A., dass er nur versuchte, seine Erinnerungslücke zu schließen - irgendwie zu rekonstruieren, was geschehen ist. "Die zehn Minuten waren schwarz, die kamen nicht mehr wieder", sagte er vor Gericht.

Doch inzwischen kommt es auf seine Erinnerung auch nicht mehr so sehr an - jedenfalls nicht, um den Fall zu klären. Die Ermittler sind sich sicher, dass Mundlos und Böhnhardt die Täter waren. Beate Zschäpe ist als Mittäterin angeklagt. Im Brandschutt ihrer Zwickauer Wohnung lagen die Tatwaffen. Im Bekennervideo des NSU werden Bilder vom Trauerzug für Kiesewetter und von der Polizeipistole gezeigt. Die Seriennummer ist gut zu erkennen.

Martin A. arbeitet wieder als Polizist. Er hört noch immer schlecht, sein Gleichgewichtssinn funktioniert nicht so gut. Und in seinem Schädel bleibt eine offene Stelle. Auf Streife kann er nicht mehr fahren, er arbeitet im Innendienst. Aber er hat an der Polizeihochschule studiert. Mittlerweile ist er Kommissar.

(dpa)
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