Mutmaßliche Attentäter von Paris Salah Abdeslam trug auf der Flucht offenbar Sprengstoffweste

Paris · Während der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefordert hat, stellt sich heraus, dass der flüchtige mutmaßliche Attentäter von Paris, Salah Abdeslam, nach Angaben einer Anwältin auf seiner Flucht nach Brüssel vermutlich eine Sprengstoffweste getragen hat.

Köpfe des Terrors: Das sind die Attentäter von Paris
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Foto: dpa, bjw

Er sei damit drei Mal von der Polizei kontrolliert worden, sagte die Anwältin Carine Couquelet, die einen der mutmaßlichen Fluchthelfer des Franzosen vertritt, am Samstag dem französischen Nachrichtensender LC1. Nach Angaben ihres Mandaten sei Abdeslam nach der Anschlagsserie mit 130 Toten "äußerst erregt" gewesen und habe möglicherweise sogar vorgehabt, "sich in die Luft zu sprengen".

Couquelet vertritt den Verdächtigen Hamza Attou, einen Freund von Abdeslam aus dem Brüsseler Problemviertel Molenbeek. Attou und ein weiterer Freund, Mohammed Amri, sollen den flüchtigen Abdeslam nach den Anschlägen mit dem Auto aus Paris abgeholt und nach Brüssel gebracht haben. Sie wurden am Samstag vergangener Woche in Molenbeek festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Am Montag wurde ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet.

Nach Angaben von Couquelet sprachen die drei Freunde während der Autofahrt "sehr wenig". "Mein Mandant hatte aber große Angst", fügte sie hinzu. Abdeslam habe eine "dicke Jacke" getragen, unter der er "möglicherweise eine Sprengstoffweste" trug. Nach Angaben der Anwältin wurden die Freunde während der Fahrt drei Mal von der Polizei kontrolliert, durften aber jedes Mal weiterfahren. Abdeslam, der zu dem Zeitpunkt noch nicht zur Fahndung ausgeschrieben war, habe während dieser Kontrollen "sehr ruhig" gewirkt.

Der 26-jährige Abdeslam hatte ein Auto angemietet, das nach den Anschlägen in Paris gefunden wurde. Die Ermittler vermuten zudem, dass er dem Attentäter-Kommando angehörte, das dutzende Menschen vor Restaurants und Cafés erschoss. Neben Abdeslams Bruder Brahim, der sich schließlich in einem Café in die Luft sprengte, gehörte offenbar auch Abdelhamid Abaaoud zu dem Kommando. Der 28-jährige Belgier, der am Mittwoch bei einem Polizeieinsatz im Pariser Vorort Saint-Denis getötet wurde, gilt als mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge.

Abdeslams Rolle bei den Anschlägen ist bislang unklar. Fraglich ist, ob er sie logistisch vorbereitete oder auch selbst daran beteiligt war. Wie die Anwältin Couquelet sagte, ist es auch möglich, dass sich Abdeslam wie sein Bruder in die Luft sprengen sollte, sich aber vielleicht "nicht getraut hat".

Selbstmordattentäter aus Wohnung in Saint-Denis nicht polizeibekannt

Mittlerweile ist auch klar: Der Selbstmordattentäter, der sich während des Anti-Terror-Einsatzes in der Pariser Vorstadt Saint-Denis am Mittwoch in die Luft sprengte, ist der Polizei offenbar nicht bekannt gewesen. Wie am Samstag aus französischen Polizeikreisen verlautete, konnten die Ermittler aus seinen Leichenteilen DNA isolieren. Die Überprüfung des Erbguts habe nicht zur Identifizierung des Selbstmordattentäters geführt, da in den Polizei-Dateien zu verurteilten oder verdächtigen Straftätern niemand mit dieser DNA aufgeführt sei.

Der Mann hatte sich in einer Wohnung in Saint-Denis verschanzt, die Spezialkräfte der französischen Polizei am Mittwoch auf der Suche nach den Hintermännern der Anschlagsserie mit 130 Toten stürmten. Bei dem Einsatz wurden drei Menschen getötet: der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge Abdelhamid Abaaoud, dessen Cousine Hasna Aitboulahcen und der noch nicht identifizierte Mann, der sich in die Luft sprengte.

Die Ermittler fanden laut den Angaben aus Polizeikreisen noch nicht heraus, ob der Mann ebenso wie zwei weitere Pariser Selbstmordattentäter über Griechenland in die EU eingereist war. Bei den zwei Männern, die sich am vergangenen Freitag am Stade de France bei Paris in die Luft sprengten, hatten Fingerabdrücke zu dem Hinweis geführt, dass sie auf der griechischen Insel Leros kontrolliert worden waren. Die Identität der beiden Männer blieb allerdings unklar.

UN-Resolution zur Bekämpfung des Terrors

Unterdessen hat der der UN-Sicherheitsrat genau eine Woche nach den Terroranschlägen von Paris in einer Resolution mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefordert. In einer am Freitagabend einstimmig in New York verabschiedeten Entschließung heißt es, "alle Staaten, die die Möglichkeiten dazu haben, sollen in Übereinstimmung mit den Völker- und den Menschenrechten ihre Maßnahmen verstärken und koordinieren, um Terrorakte des IS zu unterbinden". Die Resolution verurteilt zudem alle in jüngster Zeit geschehenen Terrorattentate des IS.

Frankreich hatte den Entwurf eingebracht. Bei dem Terrorangriff in der französischen Hauptstadt waren vor einer Woche mindestens 130 Menschen von mutmaßlichen IS-Anhängern getötet worden. Die Attacke sei eine "bewaffnete Aggression gegen Frankreich" gewesen, sagte der französische UN-Botschafter Francois Delattre.

Der Sicherheitsrat forderte zudem alle UN-Mitgliedsstaaten auf, die Finanzströme der Terrormiliz zu blockieren und ausländische Islamisten nicht nach Syrien gelangen zu lassen. Zudem soll die UN-Sanktionsliste überarbeitet werden, "um die Bedrohung durch den IS besser abbilden zu können".

Ähnliche Resolutionen hatte das mächtigste UN-Gremium schon erlassen. Die neueste ist aber keine Kapitel-VII-Resolution. Das Kapitel VII der UN-Charta enthält harte Strafmaßnahmen, bis hin zu militärischen Einsätzen.

Einen Tag vor Frankreich hatte Russland am Mittwoch einen Resolutionsentwurf zum Anti-IS-Kampf eingebracht. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin kündigte laut Nachrichtenagentur Tass an, weiter auf die Verabschiedung des Entwurfs seines Landes zu drängen. Zahlreiche andere Sicherheitsratsmitglieder lehnen diesen ab, weil darin auch eine Zusammenarbeit mit dem syrischen Machthaber und russischen Verbündeten Baschar al-Assad vorgesehen ist.

(felt/AFP/dpa)
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