Gesunkene Fähre vor Südkorea 30 Minuten herrschte Chaos im Funkverkehr

Hätte der Kapitän die Fähre evakuieren lassen, könnten wohl viele der Passagiere der "Sewol" jetzt noch leben. Die Gründe für seine fatalen Fehlentscheidungen offenbart nun der veröffentlichte Funkverkehr zwischen Crew und Schiffsaufsicht.

Südkorea: Schlechtes Wetter behindert Rettungsarbeiten
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Nach dem Fährunglück vor der Südwestküste Südkoreas sind Taucher am Sonntag erstmals in das Schiffsinnere gelingt. Binnen nur weniger Stunden bargen sie mehrere Leichen, damit stieg die Zahl der Toten Behördenangaben zufolge auf 58. Die "Sewol" war am Mittwochmorgen mit 476 Menschen an Bord nahe der Stadt Mokpo havariert und innerhalb weniger Stunden untergegangen.

Lediglich 174 Menschen konnten gerettet werden, 240 galten am Sonntag offiziell immer noch als vermisst. Hoffnung, noch Überlebende zu finden, gibt es keine mehr.

In der Aufklärung der Tragödie der "Sewol" liefern nun Mitschnitte des Funkverkehrs aufschlussreiche Details. Die Crew auf dem in Not geratenen Schiff und die zuständige Aufsichtsbehörde, dem Schiffsverkehrsdienst, auf der Insel Jindo, redeten offensichtlich minutenlang aneinander vorbei.

So fragte ein Crewmitglied der "Sewol" dreimal in Folge, ob andere Schiffe die Passagiere retten könnten, sobald sie in den Rettungsbooten seien. Erst auf wiederholtes Nachfragen sagte ein Mitarbeiter des Schiffsverkehrsdienstes, dass innerhalb von zehn Minuten Patrouillenboote vor Orte sein würden. Er erwähnte aber nicht, dass ein Schiff bereits in der Nähe war und die Passagiere sofort retten könnte.

Die Fähre hatte den Angaben zufolge am Mittwoch um 08:55 Uhr (Ortszeit) den ersten Notruf abgesetzt, der Kontakt zum Schiffsverkehrsdienst bestand den Angaben zufolge für etwa 30 Minuten, dann brach er ab. Das Crewmitglied sagte während der Verbindung mehrmals, dass man sich auf dem havarierten Schiff kaum auf den Beinen halten könne.

Der mittlerweile verhaftete Kapitän Lee Joon Seok hatte vor Journalisten am Samstag seine umstrittene Entscheidung verteidigt, mit der Anordnung zur Evakuierung eine halbe Stunde zu warten. "Zu dem Zeitpunkt war dieStrömung sehr stark, das Wasser war kalt und ich dachte, wenn Leute ohne (richtiges) Urteilsvermögen die Fähre verlassen, wenn sie keine Rettungsweste tragen und so, wie sie sind, würden sie abtreiben und viele andere Probleme bekommen", sagte Lee.

Verzweifelte Angehörige der Opfer blockierten am Sonntag das Auto von Ministerpräsident Chung Hong Won, als dieser die Insel Jindo in der Nähe der Untergangsstelle besuchte. Dort sind die wartenden Familien untergebracht. Sie forderten ein Treffen mit Präsidentin Park Geun Hye, um sich über die ihrer Ansicht nach schleppenden Ermittlungen und Bergungsarbeiten zu beschweren. Unter den Passagieren befanden sich 323 Schüler einer Oberschule in Ansan, die auf der Insel Jeju ein paar Ferientage verbringen wollten. Nur 75 der Überlebenden gehörten zu der Gruppe der 16- und 17-Jährigen.

Die Polizei stoppte zudem rund 100 Angehörige, die am Sonntag zu einem Marsch von Jindo zum Präsidentenpalast in Seoul aufbrechen wollten. Die Identifizierung der ersten Leichen barg für die Angehörigen ein weiteres Ärgernis. So gab es keine Fotos von den Opfern, sondern lediglich Listen mit Angaben über Größe, Haarlänge oder Geschlecht. "Wer kann lediglich aufgrund der Größe sagen, wer diese Person ist?", echauffierte sich ein Hinterbliebener.

Der Kapitän, ein Steuermann und eine dritte Offizierin wurden am Samstag verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor fahrlässig gehandelt, gegen das Marinerecht verstoßen und Menschen in Not im Stich gelassen zu haben.

(ap)
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